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Christian Ortner
 

Ältere Menschen erinnern sich noch gut daran, dass die Herstellung von Stahl in diesem Land einmal als so wichtig erachtet worden ist, dass dies nicht irgendwelchen Privaten überlassen werden konnte, sondern vom Staat höchstselbst in Form der republikeigenen Voest betrieben wurde.

Etwas jüngere Menschen erinnern sich noch daran, dass auch der Betrieb einer Telefongesellschaft noch bis vor nicht all zu langer Zeit als Staatsaufgabe angesehen wurde, weshalb die Post ein Monopol hatte, maßlos überteuerte Anschlüsse nach nur wenigen Jahren Wartezeit zu installieren.

Und auch Junge erinnern sich daran, dass der Betrieb von privaten Zügen auf der Westbahn bis vor kurzem als direkter Weg in Massenkarambolagen auf den Gleisen, verlotterte Züge und hyperventilierende Tarife denunziert wurde.

Heute wissen wir: Die private Voest funktioniert ungleich besser als der seinerzeitige Staatsbetrieb. Private sind durchaus imstande, Mobilfunknetze zu betreiben, und die private „Westbahn“ bietet ihren Kunden eine attraktive Alternative zu den ÖBB.

Nur ein letztes mächtiges Kombinat dieser Republik hat sich der Privatisierungslogik bisher ebenso effizient wie erfolgreich widersetzt: der ORF. Dabei haben sich alle Argumente, die gegen eine Privatisierung der Anstalt sprechen, mittlerweile längst erledigt, so sie überhaupt je relevant gewesen sind. Als seine zentrale Daseinsberechtigung führt der ORF regelmäßig die Behauptung ins Felde, öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei eine Art unverzichtbare demokratiepolitische Infrastruktur, ohne die Demokratie nicht funktionieren könne.

Diese Schutzbehauptung ist mittlerweile von der Realität eindeutig widerlegt. Private bieten – wie rund um die letzten Nationalratswahlen ausgiebig zu besichtigen war – eine durchaus vergleichbare Qualität und Quantität an politischem Diskurs. Es gibt kein Argument dafür, dass der ORF in seiner heutigen Form als demokratiepolitische Infrastruktur noch notwendig ist. Das ist er höchstens für jene Spitzenpolitiker, denen er eines jener langweiligen Formate wie „Pressestunde“ oder „Im Zentrum“ zur Verfügung stellt: Für alle anderen ist er ein hochgradig selbstreferenzieller Betrieb mit wenig Kontakt zur Lebenswirklichkeit seiner Kunden.

Zu meinen, eine Anstalt wie der ORF könne irgendwie dem Zugriff der Politik entrissen werden, wenn nur die einschlägigen Gesetze gut genug gemacht sind, beweist damit nur eines: seine (oder ihre) Naivität. Denn solange der ORF de facto ein vom Staat kontrolliertes Unternehmen ist und solange die Parteien die zentralen Machthaber dieses Staates sind, solange werden die Parteien und die Politiker Zugriff auf den ORF haben. Wer diesen Zugriff endgültig und vollkommen eliminieren will, muss die faktische Eigentümerschaft der Anstalt verändern und den Staat vertreiben.

Regelmäßig verteidigt der ORF seinen besonderen Status mit dem Argument, er sei ja so etwas wie die größte Agentur für „österreichische Identität“. Dahinter steht die Vorstellung, Millionen von Österreichern versammelten sich allabendlich vor einer Art elektronischem Lagerfeuer, das Gemeinsamkeit und Nationalcharakter schafft und reflektiert. Nachrichten, politische Diskussionen, Filme, Musik, Theater, Literatur – all dies würde, so das Argument der Anstalts-Versteher, vom ORF gleichsam mit einer spezifisch österreichischen Note versehen und diene daher einer nicht näher bezeichneten „österreichischen Identität“.

Das mag vielleicht in den 1960er-Jahren noch gestimmt haben, aber mittlerweile ist das Argument so obsolet wie ein Röhrenfernseher. Angesichts stark geschrumpfter Marktanteile, zahlloser ausländischer Kanäle und vor allem der rund um das Internet gruppierten modernen Medien trifft sich die Nation schon längst nicht mehr vor dem gemeinsamen abendlichen Lagerfeuer, dazu kann der ORF schon längst nur noch die Insassen von Altersheimen vergattern, die sich von dieser Tradition nicht mehr lösen wollen. Alle anderen aber konsumieren schon längst zu unterschiedlichen Zeiten höchst unterschiedliche Formate auf höchst unterschiedlichen medialen Kanälen.

Dazu kommt, dass die beiden großen TV-Kanäle des ORF, vor allem aber „ORF Eins“ mit der nationalen Identität des Landes ungefähr so viel am Hut haben wie RTL II mit zeitgenössischer Oper: genau nichts nämlich. ORF Eins und über weite Strecken ORF Zwei sind vom Programmangebot schon längst Privatsender, die halt nicht von Privaten betrieben werden.

Warum dergleichen nicht privatisiert werden kann, um den politischen Einfluss zu tilgen und den Kunden die Zwangsabgabe zu ersparen, kann eigentlich niemand mehr vernünftig erklären. Die einzigen, die ein wirkliches Interesse haben, weiter den Staat als Eigentümer des ORF zu haben, sind dessen mit durchschnittlich über 70.000 Euro pro Jahr üppig bezahlte Mitarbeiter.