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Werner Grotte
 

Man sieht, wie die Leuchtspurmunition in die Häuser am Hügel gegenüber einschlägt. „Eine große Explosion, was ist es?“ – „Das Hauptquartier des Daesh, es brennt,“ – „Egal ob sie heraus kommen oder nicht – jagt es in die Luft!“ – Krawumm. Arte brachte an seinem Themen-Abend am Dienstag eine beeindruckende, beängstigend hautnahe Dokumentation über die Kämpfer der kurdischen Peschmerga gegen den IS („Islamischer Staat“, dort Daesh genannt). Hier war nichts gestellt, alle Narben und Blutflecken echt.

Man sah einen gefangenen IS-Überläufer, den halben Kopf und eine Hand eingebunden, mit ungewissem Schicksal in Ruinen festgehalten. Nicht weit davon eine gerettete jesidische Mutter mit einem 20 Tage alten Kind, das möglicherweise von einem ihrer Peiniger stammt. Hinter den bunten Decken und Polstern rohe, graue Ziegelwände. Leben im Bunker.

Die Zuseher lernen einen bärtigen Amerikaner in gefleckter Uniform kennen, mit einer großen Schnellfeuerwaffe an der Schulter und viel Munition am Gürtel. Jordan, ein gelernter Tischler, war zwei Jahre bei der US-Armee. Als er in den Medien sah, wie der IS die Bevölkerung hier in Syrien bedrohte, Andersgläubige tötete, die Frauen als Sex-Sklavinnen verkaufte, verstand er die Welt nicht mehr. „Die Regierungen, auch unsere, sagten, das sei ein Irakisches oder syrisches Problem. Aber für mich war es ein dringendes, humanitäres Problem, das auch mich angeht. Deshalb nahm ich Kontakt mit den Peschmerga auf und meldete mich freiwillig zum Kampf gegen den IS“, erzählt der große Mittzwanziger aus Colorado, umringt von deutlich gezeichneten männlichen und weiblichen Peschmerga, die ihren lokalen Sieg feiern.

Warum sehen wir im ORF keine solchen Dokumentationen? Warum wird in der öffentlichen Stimmungsmache hierzulande nicht mehr darauf Wert gelegt, dass es im Konflikt in Syrien und dem Irak von entscheidender Wichtigkeit ist, den IS am Boden zu bekämpfen? Warum bekommen junge Männer aus diesen Regionen bei uns ein warmes Bett, wenn andere junge Männer, die nicht geflüchtet sind, tagtäglich ihr Leben im Kampf für die Freiheit riskieren, weil sie zu wenige sind, um die Mörderbanden im großen Stil zu vertreiben?

Im nahen und mittleren Osten bricht eine Welt zusammen, und uns Europäern fällt nichts dazu ein, außer echte und vermeintliche Flüchtlinge durchzuwinken und sie in Massenquartieren aufzupäppeln. Wer aber soll in Syrien, dem Irak, in Libyen und dem Libanon dem islamistischen Wahnsinn Einhalt gebieten, wenn nicht junge Männer, denen ihre Heimat etwas wert ist?

Genau eine solche Wertediskussion findet in unserer Politik und in unseren Medien, allen voran der ORF, so gut wie gar nicht statt. Es geht stattdessen um Aufteilung von Migranten, um Quoten, um Quartiere, um deren „Integration“, ohne zu verstehen, dass diese Menschen aus einer völlig anderen Welt kommen, die mit unserer westlichen überhaupt nicht kompatibel ist.

Wir machen es jenen, die den bequemeren Weg suchen, viel zu einfach, sich in eine vermeintliche Sicherheit zu verkriechen, in der sie sich nie wirklich wohl fühlen werden. Viel zu viele kommen auch mit zu viel Geld, zu teuren Mobiltelephonen, zu modischen Fetzen. Flüchtlinge sehen anders aus.

Ausgebombten Familien mit kleinen Kindern zu helfen, steht außer Frage. Das haben wir immer gemacht. Aber die hunderttausenden allein reisenden, gesunden, jungen Männer, die sich an unseren Grenzen stauen, sollten wir postwendend zurückschicken. In unserem und in deren Interesse. Wer sonst soll den IS besiegen und wer sonst soll die zerstörten Regionen wieder aufbauen, so wie wir es hier in Europa nach 1945 taten?

Ohne raschen und radikalen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Wahrnehmung werden wir diese Krise nicht unbeschadet überstehen. Die Frage lautet eher, was wird von Österreich, Deutschland, Europa und deren Werten noch übrig sein, wenn die eine Hälfte des mittleren Ostens im Chaos versinkt und die andere, geflüchtete Hälfte das Chaos auch nach Europa bringt.