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Werner Reichel
 

Seit ihrer Regierungsbeteiligung, hat sich das Verhältnis zwischen ORF und FPÖ dramatisch verschlechtert. Kein Tag vergeht ohne gegenseitige Vorwürfe und zum Teil heftige Kritik. Es geht um „fehlerhafte“ TV-Beiträge und um satirische Postings. Im ORF steigt die Nervosität, schließlich hat die neue Regierung die Reformierung der öffentlich-rechtlichen Medienanstalt angekündigt. Ein Interview mit Hans-Jörg Jenewein, dem medienpolitischer Sprecher der FPÖ.

ORF-Watch: Wie sehr hat sich aus Ihrer Sicht die ORF-Berichterstattung über ihre Partei geändert, seit die FPÖ in der Regierung ist?

Hans-Jörg Jenewein: Ich würde sagen, es war eigentlich im Großen und Ganzen immer so. Jetzt hat es sich insofern verstärkt, weil manche Redakteure offenbar ihre berufliche Aufgabe darin sehen, diese Bundesregierung bzw. einen Teil dieser Koalition besonders scharf zu kritisieren und unter Beschuss zu nehmen. Das sind nicht nur die offensichtlichen Dinge, die da passieren, von denen wir in den Zeitungen jetzt ohnehin gelesen haben, es sind oft auch bei Moderationen die Nebensätze, die fallengelassen werden, wo man nicht nur auf die persönliche Meinung des zuständigen Redakteurs schließen kann, sondern wo unterschwellig Botschaften transportiert werden. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Redakteure gar nicht merken, was sie da tun, weil's ja eigentlich die letzten 20, 30 Jahre immer so gewesen ist.

Und da liegt es natürlich auch an der Bundesregierung und den politischen Parteien, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinen Redakteuren klarzumachen, die Zeiten haben sich geändert, sie werden sich auch für euch ändern. Wir fordern ganz einfach ein, was im Gesetz steht.

OW: Wird eine solche Forderung auch Erfolg haben?

Jenewein: Opportunismus treibt oftmals interessante Blüten. Ich werde jetzt keine Namen nennen, aber Sie würden sich wundern, wie viele Leute aus dem ORF - und da sind durchaus einige bekannte Namen dabei -  sich in den letzten Wochen bei mir persönlich gemeldet haben. Die erklären dann, dass sie diese Zustände insgeheim immer schon kritisiert haben und dass sie sich jetzt noch nicht aus der Deckung trauen. Ob das jetzt mit Lernfähigkeit zu tun hat, oder ob das reiner Opportunismus ist, das bleibt abzuwarten. Aber ich denke, es gibt auch im ORF gute Journalisten und gute Redakteure, die einfach in diesem System groß geworden sind und die jetzige Debatte vielleicht als Befreiung empfinden. In manchen Redaktionen herrscht mitunter der entsprechende politische Druck. Wenn der rausgenommen wird, wird man sehen, dass das ganz neue Blüten, nämlich Frühlingsblüten, treiben wird, und das sollte eigentlich für alle von Interesse sein.

OW: Man hat der FPÖ vorgeworfen, dass sie die Affäre beim Tiroler ORF zum Anlass genommen habe, gegen der ORF vorzugehen.

Jenewein: Nein. Ich darf daran erinnern, dass unsere Mediensprecher der Vergangenheit, egal ob das Herbert Kickl oder Harald Vilimsky waren, sich immer wieder gegen Benachteiligungen durch den ORF gewehrt haben. Nur damals war's insofern egal, weil wir eine Oppositionspartei waren, die sich sozusagen immer wieder einmal aufregt.

Es hat jetzt eine andere Qualität bekommen. Ich kann Ihnen aus dem Stand wahrscheinlich zehn Ereignisse der letzten Wochen sagen und benennen, wo das ORF-Gesetz gebrochen wurde und das immer zum Nachteil der FPÖ und zum Nachteil der Bundesregierung. Das ist völlig inakzeptabel und wir schauen nicht mehr weg, sondern wir artikulieren das jetzt.

OW: Wie schaut der Fahrplan aus? Dass der ORF reformiert werden soll, ist ja fix.

Jenewein: Der steht fest. Wir starten vor dem Sommer noch mit einer großen Medienenquete. Sie ist der Auftakt für die umfassende Reform, die die Struktur des ORF betrifft. Die derzeitige Struktur ist nicht mehr zeitgemäß, das ist ein Konstrukt aus den 70er-, 80er-Jahren. Da wurde zwar immer wieder daran herumgedoktert, das führte aber eher zu einer Verschlimmbesserung. Wir wollen den Pflock so einschlagen, dass man sagt, da ist jetzt etwas für die nächsten 20 bis 30 Jahre geschaffen worden.

Wir bekennen uns dazu, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich haben wollen. Es geht darum, dass wir heute in Europa Rahmenbedingungen haben, wo es einige wenige große Player gibt, die von außen quasi Medienpolitik in die Länder Europas tragen. Das lineare Fernsehen, so wie wir aufgewachsen sind, das spielt heute de facto keine Rolle mehr. Das wird ja mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.

Und wenn wir wollen, dass es in Zukunft in unserem Land noch Medien und Fernsehen mit eigener Identität gibt, dann werden wir es schaffen müssen, dass wir diese österreichische Identität gesetzlich so verankern, dass sie trotz internationaler Big Player eine Chance hat. Sonst sind wir nur mehr mit Amazon Prime, Buzzfeed, Apple TV, und was es da alles gibt, konfrontiert, und der österreichische Medienproduzent führt nur noch ein Schattendasein. Das möchte ich nicht. Ich glaube, dass die Regionalisierung ein wichtiger Schlüssel sein kann für die Zukunft. Wenn wir das schaffen, und daran glaube ich, ist auch schon sehr viel passiert. Darum ist diese Reform so dringend notwendig, weil ein ORF, so wie er heute aufgestellt ist, für diese Herausforderungen gänzlich ungeeignet ist. Das wird nicht funktionieren.

OW: Heißt das, dass der ORF, vor allem im digitalen Bereich, gestärkt werden soll? Es ist ja viel von Allianzen zwischen ORF und Privaten die Rede.

Jenewein: Ich glaube, dass die österreichischen Medienbetreiber gestärkt werden sollen. Ich möchte, dass auch jene österreichischen Produzenten, die wirklich gute Produkte auf den Markt bringen, ebenfalls gefördert werden. Es geht nicht darum, dass man jetzt den ORF in ein neues System einbetoniert, im Gegenteil, wir wollen den ORF dazu bringen, dass dieser Koloss mit den kleinen Medien, die noch in österreichischer Hand sind, zusammenarbeiten muss, wo sich der ORF bis jetzt sträubt.

Der Denkfehler am Küniglberg ist noch immer, dass der ORF der Meinung ist, er gehöre sich selbst. Falsch! Der ORF gehört allen Österreicherinnen und Österreichern. Jeder Österreicher ist verpflichtet, seinen Beitrag für den ORF zu leisten. Wenn die Voraussetzungen da sind, sollte man die reichweitenstarken ORF-Frequenzen auch für privaten Content, etwa anspruchsvolle Dokus, öffnen. Da bin ich sehr dafür.

OW:  Kann man sich das ungefähr so vorstellen wie bei den ÖBB, wo Privatunternehmen wie die Westbahn die Schienen nutzen können?

Jenewein: Das ist ein gutes Beispiel. Die ÖBB waren ja auch lange Zeit der Meinung, sie gehören sich selbst. Sie haben aber vergessen, dass diese gesamte Infrastruktur schon die Steuerzahler finanziert haben. So ist es auch beim ORF. Es ist ja nicht vom Himmel gefallen, dass sie relativ große Reichweiten haben, sie haben diese Reichweiten, weil es über Jahrzehnte ein Monopol gegeben hat.  Dieser Vorteil ist geblieben und hängt weniger mit dem Programm zusammen. Wenn ich mir ORF1 anschaue, ist das eine Konkurrenz zu RTL oder Pro7. Da kann mir kein Mensch erklären, was bei ORF 1 der öffentlich-rechtliche Auftrag ist, wo amerikanische Serien in Heavy Rotation über die Mattscheibe flimmern. Da stelle ich mir etwas anderes vor, nämlich die Reichweite, die der Sender noch hat, dafür zu nutzen, sinnvollen Content zu senden.

OW: Sind sich ÖVP und FPÖ einig, was die geplanten ORF-Reformen betrifft?

Jenewein: Wir waren uns im Zuge der Regierungsverhandlungen in vielen Fragen sehr schnell einig. Und ich schätze den pragmatischen Zugang von Minister Gernot Blümel als Medienminister, der diesbezüglich sehr vernünftige Ansichten hat.

OW: Es hat ja in letzter Zeit von FPÖ-Seite immer wieder Forderungen gegeben, die GIS-Gebühren abzuschaffen. Wie kann man sich das vorstellen? Wenn ich die GIS-Gebühren abschaffe, muss ich entweder den ORF zusperren oder statt der Gebühren den ORF über Steuern oder andere Kanäle finanzieren?

Jenewein: Erstens einmal, die Forderung der GIS-Gebührenabschaffung ist eine langjährige Forderung der FPÖ, die ist nach wie vor aufrecht. Zweitens, das Problem beim ORF ist sein Selbstverständnis, dass er glaubt, nur weiterproduzieren zu können, wenn es Gebühren gebe. Das ist natürlich völliger Unsinn. Es gibt verschiedenste Finanzierungsmöglichkeiten, da ist der politischen Kreativität eigentlich genug Raum gegeben. Ich halte es für falsch, zu sagen, der ORF muss zwingend über Gebühren finanziert werden, sonst gibt es keinen ORF mehr. Das wäre einmal auch vonseiten des ORF zu erklären, wie es sein kann, dass dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk im Jahr 2018 ein Gesamtbudget von knapp einer Milliarde Euro für knapp 4000 Angestellte braucht. Wichtig wäre, und das steht auch im Regierungsprogramm, diesen Sparzwang endlich einmal anzugehen und zu sagen: Wir wollen runter von den Kosten. Dazu ist auch Transparenz notwendig. Da werden ja teilweise fantastische Gehälter bzw. fantastische Abfertigungen gezahlt. Wir müssen uns anschauen, wie hoch sind die Pensionsrückstellungen. Stichwort Luxuspensionen. Wir werden uns ganz genau anschauen, wo es Einsparungspotenziale gibt, auch bei den Überstundenregelungen im ORF. Und wenn endlich einmal diese Kostensenkung angegangen wird, dann werden wir auch über die Finanzierung reden können. Aber zuerst brauchen wir einmal eine Kostenwahrheit im ORF. Die gibt es derzeit nur am Rande.

Man muss aber auch so ehrlich sein, zu sagen, wenn man öffentlich-rechtlichen Content haben möchte, dann kostet das auch Geld. Es gibt viele Möglichkeiten, es gibt Einsparungsmöglichkeiten, es gibt andere Finanzierungsmöglichkeiten. Da ist der Kreativität, wie gesagt, keine Grenzen gesetzt.

OW: Die Kosten des ORF sind unter anderem so hoch, weil es zum Teil wirklich schöne Pensionen, hohe Abfertigungen und gute Gehälter gibt. Ist da etwas geplant?

Jenewein: Ja, sehr viel und es wird auch ein großes Kapitel werden im Zuge der ORF-Reform. Ich gehe davon aus, dass das im Interesse aller und auch im Interesse des ORF ist, dass man hier wirklich nachvollziehbare Transparenzregeln einführt. Jeder Österreicher, der verpflichtet ist, den ORF zu finanzieren, hat auch das Recht, zu erfahren, wofür dieses Geld verwendet wird. Jetzt wissen wir, im ORF werden gute Gehälter bezahlt. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es teilweise wirklich unverschämt hohe Abfertigungen gegeben hat. Was auch sehr interessant ist, und wo wir auch unseren Fokus darauflegen werden, sind die Nebenverdienste von ORF-Mitarbeitern. Und das betrifft vor allem jene, die tagtäglich am Bildschirm sind, die dadurch einen hohen Bekanntheitsgrad bekommen haben und diesen dafür nutzen, um privat Geld zu machen. Das ist etwas, das wird man sich anschauen müssen: Das wollen wir transparent machen, wie viel die Leute nebenbei verdienen, und vor allem, bei wem sie nebenbei verdienen. Wenn man sich das anschaut, dann wird vielleicht auch manchen klarer, warum die Berichterstattung so ist, wie sie ist.

OW: Sollen die Nebenverdienste nur transparenter werden oder soll es da auch strengere Regeln geben?

Jenewein: Da muss es auf jeden Fall Unvereinbarkeitsregeln geben. Ich halte es für völlig inakzeptabel, wenn Redakteure im Umfeld von politischen Parteien Tätigkeiten ausüben und diese dann auch bezahlt werden, etwa für Medientrainings. Das sind Dinge, die halte ich für höchst problematisch.

Dieses Interview stammt aus der neuen Ausgabe von Frank&Frei – Magazin für Politik, Wirtschaft und Lebensstil. Die Ausgabe 05/2018 ist ab 15. März im Handel erhältlich