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Andreas Unterberger (Öffentlich-rechtlich: Mi, 07.01.2015, 14:26)
Neuer Korrespondent, neue Hoffnung

Der ORF schickt einen neuen Korrespondenten nach Brüssel. Das lässt - man ist ja unverdrossen  - wieder einmal Hoffnung aufkeimen: Vielleicht wird sich Peter Fritz, der neue Mann, dort ein wenig mehr um objektive Distanz bemühen als sein langjähriger Vorgänger. Obwohl er ein von allen Gebührenzahlern finanzierter Korrespondent ist - und sonst nichts - hatte dieser ja im Grund seine Rolle als die eines Pressesprechers der EU-Kommission gesehen, dem nichts Kritisches zur Union über die Lippen zu kommen hat. Halt so, wie sich in Wien die innenpolitische ORF-Redaktion (oder wie in grauer Vorzeit die "Wiener Zeitung") als bloßes Sprachrohr mit Krawatte im Dienst des Bundeskanzlers versteht.

Beides ist natürlich sehervertreibender Schwachsinn, dient aber angesichts der Machtverhältnisse im ORF jeweils ganz gut zur Absicherung der eigenen Position. Ganz ähnlich übrigens wie der ORF potenzielle Kritiker in den Zeitungen mundtot gemacht hat, indem er ihnen nur bei Wohlverhalten Auftritte in Pressestunden&Co gewährt. Die sie bei kritischer Haltung nicht bekämen.

Was bei der Berichterstattung über die EU ganz besonders skurril ist: Während in Österreich innenpolitische Hofberichterstattung immer automatisch eine klare parteipolitische Inklination hat, herrscht in fast ganz Brüssel ein kollektiver Ungeist, der jede Kritik an Personen, Entscheidungen oder Gesetzen sofort als europafeindlich empfindet. Die meisten Journalisten versuchen dort Kritik daher möglichst ganz zu vermeiden. Sie legen in Brüssel meist schon nach wenigen Wochen ihr gesamtes Potenzial zu unabhängigem Denken und die österreichische Perspektive ins Schließfach.

Sie fühlen sich auch irgendwie als stolze Mitregenten über eine halbe Milliarde Menschen, obwohl sie ja nur aus einer Acht-Millionen-Provinz kommen. Das verändert schon das Bewusstsein. Mit ein Faktor ist dabei auch der Umstand, dass die Kommissionsbeamten auf allen Ebenen einen sehr geschickten Umgang mit den Medien beherrschen. Dieser steht in totalem Kontrast zu den oft jämmerlichen Pressesprechern in hiesigen Ministerkabinetten.

Das Endergebnis ist freilich so, als würde hierzulande jede Kritik an Regierungsentscheidungen in Sachen Hypo Alpen-Adria auch von Journalisten sofort als Österreich-Feindschaft oder Kärnten-Hass empfunden und daher verschwiegen werden.

Langfristig wird freilich nur eine ganz andere Berichterstattung das Überleben Europas retten: also der völlig offene, distanzierte und kritische Umgang mit allen Einzelentscheidungen - von den Glühbirnen bis zum Euro. Nur dann wird die EU wirklich zur demokratischen Selbstverständlichkeit.

Deutschland geht ja auch nicht unter, weil immer wieder - diesfalls auch im ORF - problematische Entscheidungen und Entwicklungen offen dargestellt werden. Es wird dadurch sogar stärker.

Raimund Löw wechselt jetzt von Brüssel nach Peking. Dort herrscht ja in dieser Beziehung ein durchaus ähnlicher Geist wie in Brüssel: Kritische Befassung mit welchem Thema auch immer wird sofort hysterisch als Staatsfeindschaft empfunden. Vielleicht hilft ihm dort ja auch seine Vergangenheit bei einer trotzkistischen Gruppe oder als Historiker der Arbeiterbewegung . . .