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Werner Grotte (Ideologie: So, 29.05.2016, 01:48)
Erinnern Sie sich noch an die "Gusch, Bua"-Witze?

Ein gutes Beispiel für die grassierende Piefkesierung, also der Anpassung unserer heimischen Sprache und Dialekte an eine sterile, deutsche Einheitssprache, lieferte ausgerechnet der ohnehin noch relativ bodenständige Sender Radio Niederösterreich am Samstag Mittag: Die Moderatorin sagte: „Kennen sie diesen Spruch noch?  - Mama, Mama, ich will nicht nach Amerika! – Sei still, Bub, schwimm weiter!“

Die Moderatorin hat ganz offensichtlich die Zeit dieser Witze nicht einmal annähernd miterlebt. Denn das waren die in den 1960/70er-Jahren berühmt-berüchtigten „Gusch, Bua!“-Witze, die es in den unterschiedlichsten und meist immens unappetitlichen Versionen gab.

So lautete der auf Radio Niederösterreich zitierte Spruch im Original „Papa, Papa, i wü net noch Amerika!“ – „Gusch, Bua“ – Papa, Papa, i wü oba wirklich net noch Amerika!“ – „Gusch, Bua, schwimm weida!“.

Ein anderer ging so: „Papa, Papa, i mog die Oma nimmer!“ – „Gusch, Bua!“ – Papa, Papa, i mog die Oma oba wirklich nimma!“ – „Gusch, Bua, wos am Tisch kummt, wird g’essen!“.

Ich erspare dem Leser weitere Versionen – nicht mehr ganz juvenile Zeitgenossen werden sie ohnehin kennen. Und sich dabei vielleicht sogar noch an die vielen Strophen von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad – meine Oma, meine Oma ist modern“ erinnern, die noch ein bissl älter sind. Die Oma lernte „im Gurkenglasl schwimmen“ und vieles mehr. Und sie war modern.

Solche Reime in unserer Mundart sind mittlerweile nahezu ausgestorben, die sprachlichen Wertungen („Rankings“) gehen seit „echt fett“ bestenfalls noch in Richtung „cool“, „chillig“, „groovy“, „spooky“ – einen letzten Hilfeschrei deutschen Ursprungs erkennt man vielleicht noch in „geilo“.

Aber wo ist der Dialekt? Wo ist das „ur-leiwand“ oder das „scheiß di net an“ oder das „bist jetzt ganz deppat?" Oder „samma wieder Habara?“. Will der öffentlich-rechtliche Sendungsbetrieb wirklich untätig zusehen, wie „So muss Technik“ oder „Was guckst du“ Eingang in die österreichische Umgangssprache findet? Und wir "an Ostern" Eier suchen? Wie plötzlich nichts mehr „in einem“ oder „hinterananda“ sondern „am Stück“ stattfindet? Es nur noch „Highlights“ und „Events“ gibt statt „an leiwanden Konzert“? Wie Kinder glauben, „Hi“ oder „Hallo“ wären ein Gruß, weil Erwachsene sich nicht trauen, ihnen die Bedeutung eines Grußes zu vermitteln? Wie sogar Wiens alternder Bürgermeister Michael Häupl – aus welchem Grund auch immer – bereits mehrfach in der Öffentlichkeit (und auch im ORF) betont hat, gewisse Dinge einfach „außen vor“ zu lassen? Hat er etwa als g’standener Ottakringer keinen Grund, sich angesichts des dort stattfindenden Bevölkerungsaustausches erst recht betont bodenständig auszudrücken? Oder sind ihm Multi-Kulti-Ghettos wie am Brunnenmarkt längst wichtiger als restliche Wien?

Die sogenannte „Jugendsprache“ hat es immer schon gegeben. Als Ausdruck pubertierender Frischlinge, alles elterliche in Frage zu stellen und die Welt neu zu erfinden. Dazu gehören auch Sprach-Verstümmelungen oder Neuerfindungen. Das kennt jeder, der einmal richtig Deutsch gelernt hat. Und das gibt sich spätestens nach der Matura.

Neu ist, dass sogar der Duden, bis vor wenigen Jahren noch eherner Leitfaden deutscher Sprachkultur, mittlerweile „Jugendsprache“ als solche anerkennt und zum Beispiel „den Service“ (im Computerbereich) oder „das Teil“ (als „Jugendsprache“) anerkennt. Vorher wurde maximal zwischen „österreichischem“  und „deutschem“-Deutsch unterschieden.

Denn das Problem der „Jugendsprache“ ist, dass sie spätestens mit jeder Oberstufen-Klasse neu erfunden wird. Und „Jugendsprache“ an sich ja eben einen temporären, pubertären Auswuchs darstellt, der eher nicht Aufnahme in die offizielle Sprachregelung finden sollte. Weil sie ja bald wieder verschwindet. Denn sonst sind wir ganz schnell wieder dort, wo unsere Sprache (und in weiterer Folge Literatur) vor Jahrtausenden einmal angefangen hat, sich zu einer solchen zu entwickeln –jeder macht seine eigenen Regeln und redet wie er will. Erinnert an die Babylon’sche Sprachverwirrung – und dort, in die Massenverdummung, will die Mehrheit der Bevölkerung ja eher nicht hin.

Der Duden und alle seine Mit-Sprachverwässerer wie der ORF und andere öffentlich-rechtlichen Sender (gegen die kommerziellen kann man eh nichts tun) leisten damit also nur jenen Vorschub, die unsere über Jahrhunderte gewachsene, deutsche Sprache umso schneller demolieren und in eine „Alles ist jetzt möglich“-Misch-Sprache vernudeln wollen. Allein die Tatsache, dass es in Medien oder „Postings“ fast nur noch mal (statt einmal) heißt, dass es kaum noch hinunter oder herunter sondern nur noch simpel „runter“ gibt oder eine Entlassung als „Rauswurf“ bezeichnet wird, bedeutet nichts Gutes für unsere hochentwickelte Sprache mit ihren vielen Nuancen. Und schon gar nicht für den Dialekt, denn da müsste es zumindest in Ostösterreich „Außeschmiss“ heißen.

Die Zukunft gehört wohl dem „Gangsta-Rapper-Deutsch“. Cool, krass - und mit viel Scheiße. Und ganz ohne die bescheuerten Beistrichregeln. Mann!