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Werner Reichel (Reform mit Gebühren: Mo, 18.12.2017, 20:10)
Die türkisblauen ORF-Pläne

Der Staatsfunk hat sich stets als Kämpfer für die sozialistische Sache verstanden. Seine Feindbilder sind entsprechend klar definiert: Gegen die FPÖ wird scharf geschossen und auch die ÖVP kommt – bis auf die bundespolitisch gerne überschätzen Landeshäuptlinge – mehr schlecht als recht weg. Trotz der intensiven Bemühungen des ORF sitzen nun seine beiden politischen Lieblingsfeinde gemeinsam in der Regierung. Dumm gelaufen.

Da wäre es aus Sicht von FPÖ und ÖVP eigentlich logisch und konsequent, den ORF komplett umzubauen, seine politische und propagandistische Macht zu beschränken, ihn auf ein für die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ungefährliches Maß zurechtzustutzen.

Das würde zudem der Linie „Mehr privat – weniger Staat“ entsprechen. Einen mächtigen und marktverzerrenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen im digitalen Zeitalter nur noch seine Mitarbeiter und jene Politiker, die ihn für ihre Ziele instrumentalisieren wollen. Investigativer und kritischer Qualitätsjournalismus finden ohnehin woanders statt.

Die neue rechtskonservative Regierung muss deshalb eine ganz grundsätzliche Entscheidung treffen: Entweder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf einige wenige Aufgaben im öffentlich-rechtlichen Kernbereich - etwa die Produktion von Programmen für die in Österreich anerkannten Volksgruppen - zu reduzieren und somit seine Reichweiten und seine publizistische Macht zu limitieren oder das derzeit sehr breite Angebot des ORF aufrechtzuerhalten ­­­­­­-  eventuell sogar auszubauen -  und versuchen, ihn in ein politisch neutraleres Fahrwasser zu manövrieren. Selbstverständlich ist auch die Versuchung groß, den ORF für seine Zwecke zu missbrauchen, so wie es die SPÖ seit Jahr und Tag geschickt getan hat. 

Die Frage ist freilich: Kann die neue Regierung den ORF tatsächlich „dareitn“? Schließlich werken im Staatsfunk -  vom Kabelträger bis hinauf in die Chefetagen - fast ausschließlich rote und grüne Sozialisten. Schon einmal hat eine schwarzblaue Regierung beim Versuch, den ORF umzufärben, einen spektakulären Bauchfleck hingelegt. Man versucht es offenbar noch einmal. Das kann man zumindest aus dem drei Seiten langen Medienteil des Regierungsprogrammes herauslesen.

Es ist nachvollziehbar, wenn sich die neue Regierung dieses mächtigen Instrumentes bedienen will. FPÖ und ÖVP haben lange unter dem Rotfunk gelitten, SPÖ und Grüne stets vom linken Meinungsjournalismus des Staatsfunks profitiert.  Allerdings begibt man sich mit einer solchen Strategie  auf das Niveau der Sozialisten, zudem dürfte es ein zäher Machtkampf werden.

Eine entscheidende Frage ist, wie viele überzeugte Linke und wieviele Opportunisten in den ORF-Redaktionen sitzen.  Eine Frage, die man erst in den nächsten Wochen und Monaten wird beantworten können. Derzeit gibt sich der ORF relativ handzahm, man wartet zu, was daran liegen könnte, dass viele ORF-Mitarbeiter erkannt haben, dass die Krise der Linken keine vorübergehende, sondern eine dauerhafte ist. Was auch an den mageren Protesten gegen die neue Regierung zu erkennen ist. Die Sozialisten befinden sich auf dem Rückzug, die Hoffnung, dass die beleidigte und nörgelnde SPÖ in absehbarer wieder das Ruder im Land übernehmen könnte, wird sich nicht so bald erfüllen. Darauf muss sich auch der Staatsfunk einstellen.

Trotzdem brauchen die ORF-Mitarbeiter eines nicht zu fürchten, dass ihre Anstalt (teil)privatisiert, zerschlagen oder verkleinert wird: „Veräußerungen von einzelnen Sendern werden abgelehnt“, steht im türkisblauen Regierungsprogramm. Sprich, das ORF-Angebot bleibt in vollem Umfang erhalten. Man scheint es sogar ausbauen zu wollen: „Den öffentlich-rechtlichen Auftrag ins 21. Jahrhundert bringen und insbesondere die Digitalisierung berücksichtigen: Möglichst vielen Menschen möglichst qualitativ hochwertige Information zur Verfügung stellen.“

Das deutet darauf hin, dass jene Beschränkungen, die dem ORF derzeit etwa im Social Media-Bereich gesetzlich auferlegt worden sind, gelockert werden könnten. Ein Wunsch, den ORF-Chef Wrabetz seit langem hegt.  Der ORF soll unter der neuen Regierung im Digitalbereich mehr Möglichkeiten und Spielraum bekommen (siehe auch die geplante gemeinsame digitale Vermarktungsplattform).

Das sind gute Nachrichten für den ORF und schlechte für eine vielfältige und unabhängige Medienlandschaft: ÖVP und FPÖ wollen die Existenz des  ORF langfristig absichern. ORF-Chef Wrabetz hat bereits lobende Worte für diese Pläne gefunden.  Da diese Angebotserweiterung auch finanziert werden muss, wird sich an der Höhe der GIS-Gebühren wohl nicht viel verändern. Eine Anhebung ist für die FPÖ undenkbar, eine deutliche Reduktion angesichts der im Regierungsprogramm skizzierten Vorhaben nicht möglich.

Wahrscheinlich ist deshalb, dass, um die Wähler nicht zu enttäuschen, die mit der GIS-Gebühr miteingehobene Landesabgabe fallen wird. Damit würde die Rundfunkgebühr (außer in Oberösterreich und Vorarlberg, die diese Abgabe nicht einheben) zum Teil deutlich sinken, ohne dass der ORF dadurch auch nur einen Cent an Einnahmen verlieren würde.

Relativ viel Interpretationsspielraum lässt der Punkt offen: „Den öffentlich-rechtlichen Auftrag im Gesetz genau formulieren“. Es geht um die Schärfung dieses Auftrages. Vor allem die Privatrundfunkbetreiber monieren seit Jahren, dass der ORF – insbesondere ORF1 und Ö3 - kaum öffentlich-rechtliche Inhalte bieten und mit ihren seichten Unterhaltungsprogrammen den Privatsendern das Leben schwermachen. Ebenfalls mit mehreren Fragezeichen versehen ist die Überschrift „Verschärfung der Transparenzbestimmungen zur Sicherung einer objektiven und unabhängigen Berichterstattung“. Wann immer jemand objektive Berichterstattung vom ORF einfordert, klingeln beim Rotfunk die Alarmglocken. Wrabetz geht davon aus, dass damit „keine Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit intendiert ist".  Unabhängigkeit … Der war gut.

Ein Vorhaben, das vor allem den Machern von Ö3, der ORF-Cash-Cow, Bauchschmerzen bereiten wird, findet sich nicht im „Medien“-, sondern im „Kunst und Kultur“-Kapitel.  Es geht um eine Österreicher-Quote im öffentlich-rechtlichen Radio: Und damit Ö3 nicht wie bisher die heimischen Musiker in die Randzeiten, also so um zwei Uhr nachts herum,  verbannt, heißt es: „Prüfung einer angemessenen ‚Österreicher-Quote‘ im Programm von öffentlich-rechtlichen Medien zu reichweitenstarken Sendezeiten, speziell beim Radiosender Ö3.“  Das wird den nach wie vor marktbeherrschenden Ö3, sehr zur Freude der Privatradios, wohl einiges an Reichweite kosten. Das ist eine gute Strategie, von der die heimischen Musiker, die Privatsender und langfristig auch der ORF profitieren. Denn nur ein öffentlich-rechtlicher Mehrwert sichert auf Dauer seine Existenz. Ein mit Gebühren finanziertes seichtes Unterhaltungsprogramm braucht hingegen niemand.

Es bleibt spannend, in welche Richtung es für den ORF gehen wird. Die im Regierungsprogramm formulierten Ziele müssen nun mit konkreten Inhalten gefüllt werden. Der ORF bleibt auf jeden Fall als starke öffentlich-rechtliche Anstalt erhalten, im Digitalbereich wird der ORF sogar gestärkt. Dafür muss der Staatsfunk künftig seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag wohl etwas ernster nehmen, sein Unterhaltungsprogramm deutlich zurückfahren und sich bei der Produktion neuer Formate mehr anstrengen.

Die Kernfrage allerdings bleibt, wie es ÖVP und FPÖ schaffen wollen, aus dem mächtigen politischen Akteur und Meinungsbildner einen halbwegs neutralen Berichterstatter und eine seriöse Informationsquelle zu machen. Rund 50 Jahre linke Vorherrschaft im ORF lassen sich nicht so einfach wegwischen. Vom Gelingen dieses Vorhabens hängt viel ab, nicht zuletzt eine zweite türkisblaue Legislaturperiode.