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Werner Reichel (ORF2 Mo, 07.07.2014, 20:15)
Liebesg'schichten und Heiratssachen

Alle Jahre wieder. Sommerzeit ist Sozialpornozeit. Wenn Ferien und sommerliche Temperaturen für maue Zuseherzahlen im ORF sorgen, dann fährt der Staatsfunk eines seiner schwerstes Quotengeschütze auf: Elizabeth T. Spira. Bereits zum 18 Mal führt sie heuer wieder Vereinsamte, Selbstdarsteller und allerlei andere skurrile Typen dem heimischen Fernsehpublikum vor. Das Rezept ist ebenso simpel wie erfolgreich, die Inszenierung immer dieselbe. Als Vorwand für die billige Voyeuristenshow dient die Partnervermittlung.

Dabei bedient sich Spira stets der selben Stilmittel. So wie auch Film-Regisseur Ulrich Seidl (Hundstage, Paradies-Trilogie, etc.) lässt Spira ihre Protagonisten in erstarrter Pose eine gefühlte Ewigkeit in die Kamera starren, seit über zehn Jahren! Das ist schon lange nicht mehr originell, aber zumindest konsequent. Meistens dürfen (oder müssen?) die einsamen Herzen ihre Hobbys vor der Kamera nachspielen. Das garantiert fast immer peinliche oder lustige Momente.

Was Liebesg‘schichten und Heiratssachen so widerlich macht, ist die Verlogenheit. Im Privat-TV, bei den diversen Trash-Shows, weiß jeder, woran er ist, da wird gar nicht erst groß versucht dem billigen Unterhaltungsschrott einen seriösen Anstrich zugeben. Man bekommt, was drauf steht.

Zudem werden von Spira vor allem Menschen vorgeführt, die aufgrund ihres Alters die Mechanismen, Regeln und Gesetze des Mediums Fernsehen nicht wirklich verstehen. Ihnen fehlt die Medienkompetenz, wie es neudeutsch heißt. Sie glauben ernsthaft, bei dieser Sendung geht es in erster Linie um Partnervermittlung, also um eine gute Sache. Der Zynismus, der diese ganze Show durchdringt, scheint ihnen völlig zu entgehen. Dieser Zynismus, der bis hin zur Menschenverachtung geht, ist in der TV- und Unterhaltunsgbranche weit verbreitet und gehört dort oft zum guten Ton. Der bekannte Medienmanager Hans Mahr hat in einem Seminar angehenden Moderatoren einmal empfohlen, ihr Publikum zumindest ein bisschen zu mögen. Er wusste, warum er das sagte. Niemand aus dem Team von Frau Spira würde auch nur eine Sekunde lang einen Gedanken darauf verschwenden, jemals selbst bei so einer Show mitzumachen. Man ist doch nicht blöd. Wenn solche Leute verzweifelt einen Partner suchen, dann sicher nicht in aller Öffentlichkeit und zum Gaudium der TV-Nation, sondern, wie man das eben so macht, bequem und diskret via parship oder anderer seriöser Partnervermittlungen im Internet.

Natürlich ist die Sendung für einen Teil des Publikums eine ernsthafte Kuppelshow. Die eigentliche Zielgruppe ist jedoch eine andere. Das sind jene, die Spiras Panoptikum brauchen, um sich immer wieder aufs Neue bestätigen zu lassen, dass sie dem dummen Durchschnittsösterreicher in jeder Hinsicht weit überlegen sind. Mundl auf echt. Ein steter Quell der Freude und Unterhaltung für Pseudointellektuelle und Bobos.

Wenn dann der Kameramann auch noch die goldene Plastikgondel aus Venedig, die auf einem gehäkelten Deckchen am Schrank vor der Palmen-Fototapete steht, bildfüllend heranzoomt, dann gehört das zu den Höhepunkten dieser tristen Show. Das soll beim Publikum eine Mischung aus Überlegenheitsgefühl, Belustigung und etwas Ekel erzeugen.

Da hilft es auch nicht, wenn man zu Beginn der neuen Staffel Paare präsentiert, die durch diese Sendung zusammengefunden haben. Natürlich ist diese Kritik nicht neu, sie ist genauso alt wie die Serie selbst. Doch Spira und der ORF haben nie drauf reagiert. Schließlich stimmt die Quote. Sich auf Kosten anderer zu amüsieren funktioniert eben fast immer. Das Format würde allerdings besser zu RTL2, als zu einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender passen.