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Elisabeth Hennefeld (ORF3 Sa, 23.08.2014, 20:15)
zeit.geschichte

Anlässlich des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zeigte ORF III die dreiteilige Dokumentation „Weltenbrand“. Im Grunde sehr informativ, viele Schlachtenhergänge sind genau beschrieben, auch die Lebensbedingungen der Truppen und der Zivilbevölkerung werden detailreich nachgezeichnet. Interessanterweise gibt sich die Dokumentation aber wenig Mühe, sich in die Köpfe von vor 100 Jahren hinein zu denken. Warum nur? Wissen es die Redakteure nicht besser, oder glauben sie, den größten bis damals stattgefundenen Krieg könnte man einfach mit „die Leute waren damals von Nationalismus verblendet und dachten, Krieg ist so lustig wie ein Sommerlager“ erklären?

Diese Kindergartenpädagogik nimmt dem sonst recht lehrreichen Fernsehabend die intellektuelle Tiefe. Wir stellen fest, dass sich Freiwillige scharenweise gemeldet haben, um den angeblich lang ersehnten Krieg nicht zu verpassen, vor allem in Deutschland. Doch um zu verstehen, warum die Deutschen und Österreicher begeisterter zu den Waffen eilten als Franzosen und Engländer, könnte man eine simple Erklärung nachschieben, die das Thema um die Euphorie im Sommer 1914 ein wenig einleuchtender illustriert.

Die meisten Mächte hatte schon lange vor dem Ersten Weltkrieg die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Wie heute auch wurde jeder Jahrgang auf Tauglichkeit geprüft, doch wurden in Österreich und Deutschland über Jahrzehnte üblicherweise maximal ein Drittel dieser Männer zum Militärdienst einberufen, assentiert. In Frankreich dagegen waren es mindestens doppelt so viele, zuweilen bis zu 85 Prozent eines Jahrgangs.

Ganz logisch also, dass mehr Deutsche ohne jede militärische Erfahrung zur Verfügung standen als Franzosen, was eben nicht darauf zurück zu führen ist, dass die Gesellschaften Österreichs und Deutschlands so übermäßig von Militärs durchsetzt war, sondern gerade das Gegenteil. Und damit macht das unterschwellige simplifizierende Erklärungsmuster, dass alles gut sein wird, wenn wir die angeblich so motivierenden -ismen jener Zeit vertilgen, ein bisschen weniger Sinn.