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Werner Grotte (radiow So, 07.02.2016, 19:00)
Österreichische Musik

Dialekt galt in den letzten Jahren oder eigentlich Jahrzehnten im ORF unisono als zu bodenständig (=national=böse) und vor allem als völlig uncool. Da übernahm man schon lieber piefke-deutsche Slang-Ausdrücke wie lecker, türmen, dagegen halten, Junge, Sahne, irre, Tschüss und vieles mehr. Seit allerdings sogar auf Ö3 Gruppen wie Wanda oder Seiler und Speer mit dem tiafsten Weana Spruch seit Wolfgang Ambros Furore machen, heißt es sogar auf Radio Wien plötzlich: zurück zum Dialekt. 

So wurden Radio Wien-Hörer am Sonntag Abend zwischen 19 und 20 Uhr mit außergewöhnlichen Vokabeln überrascht: Im Rahmen der schon seit dem Vorjahr hörenswerten Reihe „Heimat bist Du großer Töne!“ hatte Moderator Franz Christian „Blacky“ Schwarz, langjähriger Manager und Freund von Georg Danzer, den Komiker, Schauspieler und Musiker Christopher Seiler zu Gast. Zusammen mit seinem filmschaffenden Kollegen Bernhard Speer verkörpert er das Duo „Seiler und Speer“, das mit Dialekt-Liedern wie „Ham kummst“ derzeit zu den Spitzenreitern der heimischen Musikszene zählt.

In einer durchgehend im breiten Wiener-Dialekt moderierten Sendung wurde zu den Wurzeln des Austro-Rock/Pop zurückgeführt, der gar nicht so anders klang als jetzt populäre Gruppen wie Wanda („Bussi“) oder eben Seiler und Speer („soits leben“, "i wü ned"). Etwa Wolfgang Ambros‘ legendärer „Hofa“ aus 1971 oder die Kultband Worried Men Skiffle Group mit „I bin a Wunda“ –  damals vom 1967 gegründeten Jugendsender Ö3 bzw. vom Fernseh-Musikmagazin „Spotlight“ mit dem jungen Moderator Peter Rapp bis zur Nummer eins in der Austro-Hitparade hinaufgespielte Meilensteine der heimischen Popgeschichte.

Rund 45 Jahre hat es gedauert, bis der ORF, notgedrungen, wieder so etwas wie eine Dialekt-Kultur verbreitet – weil er einfach nicht mehr daran vorbeikommt. Immer breitere Teile der heimischen Jugend entdeckt den Dialekt als ideale Ausdrucksform wieder. Ob diese Renaissance mit der eskalierenden Überfremdung durch Einwanderer oder der sprachlichen Verstörung durch deutsche TV-Sender zusammenhängt, ist kaum eruierbar – wahrscheinlich spielt beides eine Rolle.

Tatsächlich scheint es die letzte Chance zu sein, nicht nur die österreichische, sondern auch die lokale Dialekt-Landschaft in den Bundesländern zu erhalten oder wiederzubeleben. Die Erkenntnis, dass Dialekt weder prolo noch uncool ist, scheint sich durchzusetzen: Er ist Teil unserer Kultur, unserer Herkunft und unserer Identität. Ohne Dialekte versinken wir im sprachlichen Einheitsbrei, vom Neusiedlersee bis zur Nordsee. Egal, welche Intentionen den ORF dazu bewegen, dem Dialekt wieder eine Chance zu geben: Er könnte damit zumindest seinem Bildungsauftrag endlich wieder einmal gerecht werden.