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Kurt Ceipek (ORF2 Do, 11.08.2016, 21:05)
Am Schauplatz

Dass Österreicher, die um die Sicherheit ihres Landes fürchten, in ORF-Sendungen gerne als leicht verblödet und übertrieben ängstlich dargestellt werden, ist nicht neu. In der Sendung „Am Schauplatz“ wurde das erneut praktiziert. Diesmal allerdings nicht wie üblich mit dem Holzhammer, sondern wesentlich subtiler, denn die vorhandenen Ängste durften für das Fernsehpublikum auch geäußert werden.

Gleich zum Start der knapp 50-minütigen Sendung schlenderte Moderator Peter Resetarits entspannt entlang der berüchtigten U-Bahnlinie U6 und stellte klar, dass Wien im Vergleich zu anderen Großstädten ein sicheres Pflaster sei.

Die an der U6 wie ein Krebsgeschwür wuchernden dunkelhäutigen Drogenhändler, die ihre Ware fallweise mit Nachdruck verkaufen wollten und auch Kinder gerne mit Drogen versorgten, sind tatsächlich weitgehend verschwunden. Dazu war ein riesiges Polizeiaufgebot und eine Gesetzesänderung erforderlich.

In der Reportage, die hauptsächlich um den berühmt-berüchtigten Wiener Brunnenmarkt und den nahe gelegenen Gürtel kreiste, ließ Sendungsmacher Alfred Schwarzenberger auch Menschen zu Wort kommen, die diesen Teil Wiens für eine absolut gefährliche Region halten. Kaum jemand wagt sich dort in den Abend- und Nachtstunden noch auf die Straße, von Lokalbesuchen am Gürtel oder am Brunnenmarkt ganz zu schweigen.

Nach einem Gespräch über die Ermordung der Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma am Brunnenmarkt im Mai dieses Jahres, der eine ehemalige Marktstandlerin sichtlich bewegte und ängstigte, kam die in solchen ORF-Sendungen übliche Frage an Ängstliche: „Haben Sie persönlich schon einmal etwas erlebt?“

Die gewünschte Antwort war natürlich, noch nicht Opfer geworden zu sein.

Dass man als Reporter jederzeit Leute auftreiben könnte, die sehr wohl schon „etwas erlebt“ haben und die dann furchtbare Geschichten auftischen könnten, passt nicht ins Sendungskonzept. Sehr wahrscheinlich ist, dass eine Interviewpartnerin, die schon bedroht, beraubt, sexuell belästigt, vergewaltigt oder auf andere Weise zum Verbrechensopfer wurde, im ORF nie zu Wort und ins Bild kommen wird.

Zu Wort kommt dafür der in der Nähe des Brunnenmarkts wohnende „Kriminalsoziologe“ Arno Pilgram, der schon mehrmals im ORF verkünden durfte, wie sicher man in Wien lebe. Diese Sicherheit untermauert der „Kriminalsoziologe“ (was immer das sein mag) natürlich mit Statistiken. Seine Feststellung: Die Zahl der Strafanzeigen sei seit dem Jahr 2003 um ein Viertel gesunken. Die Gefahr, als Inländer Opfer von Kriminalität zu werden, sei nicht gestiegen.

Gemeint ist damit: Wer sich angesichts so freundlicher Statistiken fürchtet, ist eben ein leicht bescheuerter Angsthase. Aber immerhin durfte ein Polizist in die Kamera sagen, dass Widerstand gegen die Polizei bei Festnahmen krimineller Ausländer nicht mehr die Ausnahme (wie früher), sondern eher die Regel ist.

Der „Kriminalsoziologe“, der in der Sendung die Hauptrolle spielen durfte, meinte, in der Kriminalität habe sich in den letzten Jahren so wenig geändert, dass „man sich direkt langweilen“ könnte. Verändert habe sich nur, „wie Kriminalität von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird“. Schuld daran seien die Medien, die Kriminalität publizistisch aufblähen.

Das Empfinden der Österreicher, dass Ausländer überdurchschnittlich viele Verbrechen begehen, kann nicht einmal Herr Pilgram statistisch entkräften. Aber – so unterstreicht er – Ausländer seien nicht nur überdurchschnittlich oft Täter, sondern sie sind auch überdurchschnittlich oft Opfer.

Anders ausgedrückt: Die Ausländer bekriegen sich  nur untereinander und tun Österreichern ohnehin nix. Zumindest sind sie nicht gefährlicher als in früheren Jahren.

Dank der massiven polizeilichen Präsenz fühlen sich die Menschen im Bereich Brunnenmarkt-Gürtel jetzt tatsächlch  wieder sicherer, war die beruhigende Botschaft der Sendung. Und wer sich in den heißen Zonen von Wien nicht ganz so sicher fühlt, der versteht ganz einfach die ohnehin beruhigenden Kriminalstatistiken nicht.