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Kurt Ceipek (ORF2 Mo, 05.09.2016, 21:05)
Sommergespräche

Susanne Schnabl war nicht wiederzuerkennen. Nicht dass sie viel schöner geworden wäre, aber plötzlich war sie höflich, unterbrach ihren Gesprächspartner so gut wie nie und ihre Körpersprache war frei von Aggression.

Es war natürlich zu erwarten, dass das Sommergespräch des Rot-Funks mit Neo-Kanzler Christian Kern freundschaftlich – fast schon unterwürfig – verlaufen würde. Aber dass Susanne Schnabl keine einzige wirklich heikle Frage an Christian Kern stellen würde, überraschte die Mehrheit der ORF-Zuseher dann doch.

Da durfte Kern unbedrängt ebenso staatstragende wie nichtssagende Sätze über seine Pläne für Österreich vortragen. Ein Kern-Beispiel: „Die Aufgabe heißt, das Land voranzubringen, eine Vision und eine Perspektive zu entwickeln, die Österreich stärker macht.“

Noch mehr „no na“ ist in einem einzigen Satz nur schwer zu verpacken.

Susanne Schnabl wartete artig mit den passenden Fragen für solche Antworten auf. „Bis wann, Herr Bundeskanzler, muss die Regierung Reformen liefern, damit es nicht vorgezogene Neuwahlen gibt.“ Die kernige Antwort: bis 2018, weil da sind Neuwahlen, aber es sei ohnehin seit dem Amtsantritt vor 111 Tagen viel passiert.

Klarerweise will Christian Kern auch neue Arbeitsplätze in Österreich schaffen. 200.000 in den nächsten vier Jahren sollen es sein. „Funktionieren soll das über eine Stärkung der Konjunktur auf der einen und eine Bekämpfung der strukturellen Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite“, verriet ORF.at. Ziel sei Vollbeschäftigung.

Es wird wohl kaum einen Politiker in Europa und der übrigen Welt geben, der dieses Ziel nicht anstreben würde. Wie das in Österreich unter der Regierung Kern genau passieren könnte, hat Susanne Schnabl offenbar nicht sonderlich interessiert. Aber bekanntlich will Kern das internationale Handelsabkommen CETA, das zwischen EU und Kanada abgeschlossen werden soll, in einem österreichischen Alleingang blockieren. Sehr viele Arbeitsplätze dürfte das allerdings nicht schaffen.

So plätscherte das für heuer letzte Sommergespräch eine knappe Stunde lang harmonisch dahin.

Wer glaubte, im ORF könnte ein neuer Interviewstil eingezogen sein, wurde in der auf das Sommergespräch folgenden ZiB2 eines besseren belehrt. Armin Wolf ging mit dem neuen VP-Generalsekretär Werner Amon gewohnt giftig und wadelbeißerisch um. „Herr Wolf, ich hätte gerne mit Ihnen darüber gesprochen, wie wir uns als Volkspartei darstellen wollen“, flocht Amon in das Gespräch ein. Wolfs Antwort: „Ich stelle die Fragen.“

Das mit der Darstellung der künftigen Glanztaten der eigenen Partei blieb allein Christian Kern mit Stichwortgeberin Susanne Schnabl vorbehalten. Was ORF-Kenner allerdings nicht wirklich überraschte.