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Hans Joachim Fux (oe1 Do, 13.10.2016, 18:25)
Journal-Panorama

 Im Journal-Panorama wagt sich der ORF an ein extrem schwieriges und extrem tabuisiertes Thema heran: An das Thema Abtreibung. Wann haben Sie zuletzt in einem österreichischen Medium über die Abtreibungssituation in Österreich gelesen? Oder im Radio oder Fernsehen davon gehört? Ist sicher schon sehr lange her.  

Das Thema „Abtreibung“ wird in Österreich extrem gut unter den Teppich gekehrt. Nach dem Motto: „Nicht hinschauen, nichts sehen, nichts hören, nicht reden darüber und nichts davon wissen.“ Das Thema 'Abtreibung in Österreich' wird aus dem Bewusstsein verdrängt.  

Das Äußerste was in den heimischen Medien zum Thema 'Abtreibung' berichtet wird ist, wenn es im Ausland passiert: Wenn z. B. in Polen eine Diskussion aufkommt oder in Irland, oder wenn die Einkindpolitik in China thematisiert wird und ähnliches. Jedoch: Abtreibung bei uns in Österreich? Da schließen wir doch am besten die Augen.

Ein stillschweigendes Übereinkommen entstand: „Über die Abtreibung in Österreich reden wir nicht, sondern wir ignorieren dieses Thema.“ Und dieses Übereinkommen wurde tabuisiert, daran wird nicht gerüttelt und alle halten sich daran.

Was ist ein Tabu (laut Wikipedia):

„Ein Tabu beruht auf einem stillschweigend praktizierten gesellschaftlichen Regelwerk bzw. einer kulturell überformten Übereinkunft, die bestimmte Verhaltensweisen auf elementare Weise gebietet oder verbietet. Tabus sind unhinterfragt, strikt, bedingungslos, sie sind universell und ubiquitär, sie sind mithin Bestandteil einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft.  

Dabei bleiben Tabus als soziale Normen unausgesprochen oder werden allenfalls durch indirekte Thematisierung (z. B. Ironie) oder beredtes Schweigen angedeutet: Insofern ist das mit Tabu Belegte jeglicher rationalen Begründung und Kritik entzogen.

Gerade auf Grund ihres stillschweigenden, impliziten Charakters unterscheiden sich Tabus von den ausdrücklichen Verboten mit formalen Strafen aus dem Bereich kodifizierter Gesetze. Nahezu alle Lebewesen, Gegenstände oder Situationen, die ins menschliche Blickfeld rücken, können tabuisiert werden.“ 

Genau das trifft aufs Thema „Abtreibung in Österreich“ zu: Man spricht nicht darüber, das tut man einfach nicht.

Nun ist es so, dass wir in der Wissenschaft der Psychologie spätestens seit dem Wiener Dr. Sigmund Freud wissen: Auch das allerbeste Unter-den-Tisch-kehren, das allerwirksamste Wegschauen und Ignorieren nützt nichts, weil unser Unterbewusstsein viel zu wachsam ist und viel zu gut funktioniert. Das eigene Unterbewusstsein, die eigene Seele kann man nicht belügen. 

Und deshalb wird individuell und kollektiv in der Gesellschaft immer wieder das Thema "Abtreibung" hochkommen und diskutiert werden.

Die Bürgerinitiative 'Fakten helfen' setzt sich in unserem Land dafür ein, dass auch in Österreich, so wie in Deutschland, die Anzahl der Abtreibungen nationsweit erhoben wird. Um überhaupt eine Faktenlage und Diskussionsgrundlage zu haben.

Und in einem zweiten Schritt ist das Ziel von 'Fakten helfen', dass angemessene Methoden eingeführt werden, um herauszufinden: „Wie war das Motiv, der Grund und die Vorgeschichte, dass es zu einer Abtreibung gekommen ist?“ Somit würden Erkenntnisse gewonnen werden, die dann behutsam Schritt für Schritt dazu führen würden, Maßnahmen zu setzen um die Anzahl der Abtreibungen zu reduzieren und so manchen Ungeborenen zu ermöglichen, das Licht der Welt zu erblicken.  

In dem Journal-Panorama Beitrag ist zu loben: Es wird verzichte,t zu sehr auf Theorien, Philosophien oder Theologien einzugehen, sondern es wird aus der Praxis, vor allem auf Grund von Erfahrungsberichten, an das Thema heran gegangen.  

Und es kommen fast nur Frauen (bis auf wenige Ausnahmen) zu Wort. Ich halte das bei diesem Thema für angemessen.  

In der Sendung erfährt man, dass die österreichische Gesellschaft für Familienplanung Beratungen für Frauen anbietet und dass es auch eine Beratungsstelle für Männer (bzw. Burschen) gab, wo aber trotz guter Bekanntmachung in einem Jahr nur ein Bursch eine Beratung in Anspruch nahm, worauf man das Angebot einer Männerberatung aus Kostengründen einstellen musste.  

Man erfährt, dass realistische Schätzungen zur Anzahl der Abtreibungen in Österreich bei etwa 35.000 pro Jahr liegen. Also grob geschätzt: 100 Abtreibungen pro Tag, eine sehr hohe Zahl, wie in der Sendung betont wird. 2015 gab es in Österreich 84.000 Geburten, das heißt, auf ein neugeborenes Baby kommen statistisch 0,42 abgetriebene Föten.

In der Sendung hört man dass alle, wirklich alle der Meinung sind, dass die Anzahl der Abtreibungen (die derzeit ja nur geschätzt bzw. hochgerechnet werden kann) viel zu hoch ist. Da gibt es einen Konsens über alle Gruppierungen hinweg.

In der Psyche und im Körper einer Frau ist alles darauf ausgerichtet, das Leben der Leibesfrucht zu schützen – unbedingt und in jeder Lebenslage, das hat die Natur so eingerichtet. Eine Abtreibung ist etwas, was dem um 180 Grad entgegensteht. Eine Abtreibung ist daher etwas, was die Psyche, die Seele und den Körper einer Frau schwer mitnehmen kann. 

In der Sendung erfährt man, dass das Familienministerium (= ÖVP-Ressort) die Anliegen von 'Fakten helfen' unterstützt und die Zielsetzung positiv findet und dass das Frauenministerium (= SPÖ-Ressort) sich reserviert zeigt.

In der Sendung kommt Martina Kronthaler vom Verein 'Aktion Leben' ausführlich zu Wort, ebenso eine Vertreterin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung sowie auch Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben und andere.

Eine Frau, die schwanger ist bräuchte Liebe, Zuneigung, sowie Geborgenheit und Sicherheit, wozu auch die materielle Absicherung gehört. Wie sieht es jedoch in der Praxis aus? Bei wie vielen Schwangeren gibt es diese Voraussetzungen? Da liegt vieles im Argen.

Das Thema 'Abtreibung' ist ein Folgeproblem. Das primäre Thema ist das Sexualverhalten der Menschen. Bei beiden Themen spielt Verantwortung eine Rolle.

Wenn eine Frau schon ungewollt schwanger ist, ist es beinahe schon zu spät. Da kommt es vor allem darauf an, diese Frauen nicht allein zu lassen, sondern zu betreuen und zu beraten. Es geht oftmals auch darum, Ängste zu nehmen und Mut zu machen, Lebensmut.  

Aus diesen Gründen, weil das Thema ungewollte Schwangerschaft so einseitig ist: Weil eben der Mann zwar das Vergnügen hat, danach aber leicht die Möglichkeit hat, die Sache für sich zu belassen und wegzugehen, ist die Frau in der Situation, die Folgen übernehmen zu müssen. Das ist eine Schieflage, die oft zu Ungerechtigkeiten führt.

Es wären noch weitere Radiosendungen zu verwandten Themen notwendig, z. B. zur Tatsache, dass unsere Gesellschaft kinderfeindlich und auch familienfeindlich ist. Zum Beispiel schließt das Hanusch-Krankenhaus jetzt die Geburtenstation. In Wien werden die Plätze an den Geburtenstationen immer mehr ausgedünnt.

Der ORF ist diesmal zu loben, dass eine einfühlsame, für die diversen Standpunkte faire und undogmatische, unideologische Radiosendung zu einem schwierigen Thema ausgestrahlt wurde.