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Kurt Ceipek (oe1 Sa, 05.11.2016, 12:00)
Mittagsjournal

„Da kann Sozialminister Alois Stöger von der SPÖ fast alle seine Grundsätze aufgeben, die ÖVP schmeißt ihm trotzdem alle seine Kompromissvorschläge zurück“, leitete Christoph Willibald, Moderator des Mittagsjournals, frei von jeglicher Objektivität einen Beitrag ein, in dem es um die umstrittene Mindestsicherung ging. Innenminister Wolfgang Sobotka war zu diesem Thema „Im Journal zu Gast“. Um für die Zuhörer schon im voraus alles klar zu stellen, sagte der Moderator wörtlich über Sobotka: „Er steht für den harten Kurs, den die christlich-soziale Volkspartei beim Thema Flüchtlinge fährt.“

Das Verhör mit dem ÖVP-Minister führte Edgar Weinzettl. Auch er warf dem Innenminister apodiktisch vor: „Sie lehnen den Vorschlag Stögers rundweg ab.“ Der Sozialminister habe sich bewegt, die ÖVP bewege sich gar nicht, meinte Weinzettl in strengem Ton. „Der Sozialminister hat sich überhaupt nicht bewegt“, hielt Sobotka dagegen. Niemand sehe ein, dass die Mindestsicherung missbraucht und ausgenützt würde. Die ÖVP habe einen Reformvorschlag auf den Tisch gelegt, den Stöger ignoriert habe.

Worauf der Interviewer hartnäckig wiederholte: „Der Sozialminister hat sich bewegt, die ÖVP will sich offensichtlich nicht bewegen.“

Dann wechselte Edgar Weinzettl zur Notverordnung zur Reduktion der Flüchtlingszahlen. „Die Notverordnung sollte eigentlich schon vorliegen. Wo ist sie?“ Sobotka darauf trocken: „Sie liegt beim Koalitionspartner.“ Es gehe dabei um den Arbeitsmarkt, „der mehr als voll ist, um die Kriminalität und um die Integration im kulturellen und zivilisatorischen“, erläuterte der Minister.

Das wollte der Interviewer nicht hören und er tadelte Sobotka, warum er diese Notverordnung so sehr forciere, wo man doch von der Grenze von 37.500 Asylanträgen noch meilenweit entfernt sei. Darauf Sobotka: Er wäre froh wenn diese Grenze nicht erreicht würde, aber „man kauft das Feuerwehrauto ja nicht erst wenn es schon brennt“.

Unmittelbar danach folgte ein Telefoninterview mit Sozialminister Stöger. Das war im Tonfall wesentlich freundlicher und der Minister durfte wiederholen, dass er sich ohnehin „maximal bewegt“ habe. Nach kurzen Fragen durfte Stöger lange Monologe halten, denen der Interviewer friedlich lauschte und als er einmal unterbrechen musste entschuldigte er sich artig dafür.

Als neutraler Zuhörer musste man sich wieder einmal fragen, warum in ORF-Interviews mit Vertretern des bürgerlichen Lagers der Tonfall stets aggressiv ist, während Gesprächspartner aus dem rot-grünen Lager fast immer freundlich behandelt werden. Die Glaubwürdigkeit des gebührenfinanzierten Senders sinkt dadurch jedenfalls ins Bodenlose.