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Kurt Ceipek (ORF2 Fr, 25.11.2016, 22:10)
ZIB 2

Die Drohung des Ober-Türken Recep Tayyip Erdogan, die Grenzen der Türkei zur EU für Flüchtlinge wieder zu öffnen, löste in den oberen EU-Etagen Sprachlosigkeit aus. Die unverschämten Sprüche des türkischen Staatsoberhaupts, die für ein angeblich EU-beitrittswilliges Land so gar nicht passen, nahmen erwartungsgemäß auch in den heimischen Medien breiten Raum ein. Da machte der ORF keine Ausnahme.

Dass sich Außenminister Sebastian Kurz zu den Drohungen Erdogans sehr rasch zu Wort meldete wurde von den meisten heimischen Medien aufgegriffen. Da machte der ORF wieder einmal eine Ausnahme.

Europa dürfe sich nicht erpressen lassen und müsse eigenständig seine Grenze schützen, sagte Kurz zu den aggressiven Warnungen aus der Türkei. Wer sich nur auf den Flüchtlings-Deal zwischen EU und Türkei verlasse, werde bald selbst verlassen sein. Es wäre falsch von der EU-Spitze, „wenn sie die klare Stellungnahme des EU-Parlaments gegen die gedankenlose Fortsetzung der Beitrittsgespräche wegen solcher Drohungen ignorieren würde“, erklärte der Außenminister und warnte, die illegale Einreise in die EU dürfe nicht zugleich das Ticket nach Mitteleuropa bilden.

Als Normalverbraucher würde man erwarten, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender eine so klare, deutliche und sinnvolle Aussage in den Mittelpunkt eines Beitrags stellt. Der ORF tat das Gegenteil. Auf ORF.at war über die Aussagen von Kurz keine Zeile zu lesen und in der ZiB1 nichts zu sehen oder zu hören. Lediglich in der ZiB 2 machte Lou Lorenz-Dittelbacher eine eher abfällige Bemerkung über die Kurz-Äußerung.

Und statt den Außenminister zu einem Interview einzuladen, sprach die Dittlbacher mehr als sechs Minuten lang mit einem Türkei-Experten namens Cengiz Günay von der Universität Wien, der Erdogans Aggressionen als neuartigen Verhandlungsstil des türkischen Populisten klassifizierte. Das Problem sei, dass es auch in Europas Politik immer mehr Populisten gebe.

Es sei auch ein Problem, dass die Türkei schon wesentlicher Bestandteil der österreichischen Innenpolitik geworden sei. Unerwähnt blieb, dass zahlreiche Türken in Österreich türkische Innenpolitik betreiben.

Fest steht, dass der ORF den naheliegenden Forderungen von Minister Kurz keine Plattform bieten wollte, weil man sich schon jetzt vor der Popularität des jungen und erfolgreichen Politikers fürchtet, der auch in aggressiven Interviews stets hervorragend und sachlich agierte. Statt dessen wurden 6 Minuten und 35 Sekunden der knapp bemessenen ZiB2-Sendezeit für ein Interview mit Herrn Günay vergeudet.