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Kurt Ceipek (ORF2 So, 19.03.2017, 11:05)
Pressestunde

Außenminister Sebastian Kurz ist der meistgefürchtete Feind der roten und grünen Politiker in diesem Land. Warum das so ist machte er bei der sonntägigen Pressestunde wieder einmal deutlich.

Nachdem in den letzten Monaten eine Reihe agressiver ORF-Interviewer – allen voran ZiB2-Giftspritzer Armin Wolf – eher kläglich an Außenminister Sebastian Kurz gescheitert waren, bot man für die Pressestunde Gesprächsgegner der allerersten Kategorie auf: Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid (ganz in Rot kostümiert – wie sonst) und Hans Bürger, Leiter der Inland- und EU-Redaktion der ZiB. Die beiden erfahrenen Medienprofis hatten sich offensichtlich intensiv vorbereitet.

Kurz hatte Föderl-Schmid und Bürger eine aktuelle neue Angriffsfläche auf dem Silbertablett serviert, nachdem er in der Kronen-Zeitung gefordert hatte, Sozialleistungen für Ausländer aus anderen EU-Staaten sollten erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich zu fließen beginnen. Natürlich tadelte Föderl-Schmid den Vorschlag. Ihre Frage: „Betrifft das auch Menschen aus EU-Ländern, die in Österreich arbeiten?“ Kurz darauf trocken: „Wer in Österreich arbeitet bezieht ja üblicherweise keine Sozialleistungen.“ Außerdem treffe der Vorschlag derzeit gar niemanden, weil es vorerst nur um eine Idee gehe, die man umsetzen wolle.

Darauf Föderl-Schmid: „Wenn jemand vier Jahre in das System einzahlt und dann arbeitslos wird, hätte der dann keinen Anspruch?“ Kurz: „Sie müssen schon genau sein. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte er schon, weil das ist eine Versicherungsleistung, für die er einbezahlt hat. Aber die Mindestsicherung wird von der Allgemeinheit bezahlt. Es gibt kein Einwanderungsland in dieser Welt, wo man als Einwanderer vom ersten Tag an aus den Sozialsystemen herausnehmen kann.“

Hier hakte Bürger ein: „Herr Außenminister, Sie rütteln damit an der Niederlassungsfreiheit, einer der Grundfreiheiten der EU.“ Kurz: "Überhaupt nicht. Wir rütteln nicht an der Niederlassungsfreiheit, wir schützen sie.“ Die Idee der Personenfreizügigkeit sei, dass EU-Bürger überall arbeiten dürfen. Die Idee sei nicht, dass Menschen aus Ländern mit 300 Euro Durchschnitteinkommen kommen und in Österreich 850 Euro Mindestsicherung erhalten. „Die Idee der Niederlassungsfreiheit war immer, dass die Menschen dorthin gehen, wo sie Jobs finden.“ Jetzt würden viele das Land mit den besten Sozialsystemen ansteuern.

Ein Beispiel, mit welchen Untergriffen die beiden Interview-Profis den Außenminister aushebeln wollten: Kurz erläuterte wie schon oft, dass man Menschen auf der Flucht am besten helfen könne, wenn man die Hilfe vor Ort ausbaue. „Wir geben jedes Jahr Milliarden für die Flüchtlingshilfe in Österreich aus. Wenn wir dieselbe Summe für Hilfe vor Ort aufwenden, können wir viel mehr Menschen wirksam helfen.“

Darauf Föderl-Schmid: „...aber Österreich hat auch humanitäre Verpflichtungen, denen es nachkommen muss.“ Kurz: „Darüber hab ich doch gerade gesprochen. Ich möchte dazu sagen: Man ist nicht unmenschlich, nur weil man gegen illegale Immigration ist.“

In der Pressestunde wurde keines der gängigen Themen ausgelassen: Ob er denn stolz darauf sei, dass für Flüchtlinge die Balkanroute versperrt habe, ob er sich der Türkei gegenüber diplomatisch genug verhalten habe, er habe die türkische Führung damit verärgert, was er sich denn von einem Verbot der Vollverschleierung erwarte, die sei doch diskriminierend. Das Integrationsgesetz werde von allen Seiten kritisiert.

Natürlich blieben auch drohende Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich nicht unerwähnt. Föderl-Schmid warf Kurz vor, doch ebenfalls im Ausland einen Wahlkampfauftritt in Mazedonien absolviert zu haben. Kurz konterte diesen fast schon dümmlichen Vergleich mit der Anmerkung: „Ich habe dort aber nicht vor Österreichern geworben, oder?“

Natürlich wollte auch Hans Bürger – wie fast jeder Journalist bei Interviews in den letzten Monaten – dem Minister eine Aussage entlocken, wann er denn die Obmannschaft der ÖVP übernehmen werde und ob der Druck nicht schon sehr groß sei. Trotz der dazu raffiniert formulierten Frage blieb Kurz ungerührt. „Die Frage stellt sich derzeit nicht. Ich habe einen Job der mich voll auslastet und der mir Freude macht.“

Man darf als ORF-Konsument aber völlig sicher sein, dass Kurz beim nächsten Interview in TV oder Hörfunk wieder gefragt werden wird, ob er denn nicht ÖVP-Obmann werden wolle und ob und wann es denn vorgezogene Neuwahlen geben wird. Und Sebastian Kurz wird wieder sinngemäß antworten: „Ich mache die Wahltermine nicht und die Frage nach der Obmannschaft stellt sich nicht.“