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Werner Reichel
 

ORF-Chef Alexander Wrabetz denkt laut über ein neues Radio nach. FM21 soll es heißen und vor allem junge Hörer ansprechen. Auf den ersten Blick scheint die Forderung, zumindest aus ORF-Sicht, logisch und sinnvoll zu sein. Die ORF-Radioprogramme sind für die jungen Zielgruppen unattraktiv geworden. Das gilt für den Popsender Ö3 ebenso wie für FM4, das mittlerweile fast nur noch alternative Berufsjugendliche 30+ anspricht. Die Jungen sind Großteils zu den Privatsendern Kronehit oder Energy abgewandert. Für den ORF eine höchst unbefriedigende Situation. Soweit so schlecht.

Völlig unklar bleibt aber, wie Wrabetz FM21 realisieren möchte. Denn trotz Internet, Smartphones und andern Möglichkeiten Radio zu verbreiten, hören die Österreicher nach wie vor Radio fast ausschließlich über UKW. Auch die Radionutzung via Internet bewegt sich nur im einstelligen Prozentbereich. Alle anderen Übertragungswege wie Kabel, DVB-T oder Satellit sind zu vernachlässigen. Wie will Wrabetz also sein hippes FM21 verbreiten? Bis auf kleine weiße Flecke auf der österreichischen Landkarte gibt es keine freien UKW-Frequenzen mehr. Der derzeit einzig relevante Übertragungsweg für breitenwirksames Radio bleibt dem ORF also verschlossen.

Außer, man beschlagnahmt oder reverstaatlicht private UKW-Frequenzen. Das klingt sogar für die SPÖ/Regierung abenteuerlich, ist aber in Kärnten bereits geschehen. Dort verbreitet der ORF ein slowenischsprachiges Volksgruppenprogramm über den Privatradiosender Agora 105,5, also über UKW-Frequenzen, die dem Privatradio vorbehalten sind. Über den Umweg des Vereins „AGORA - Verein Agora Arbeitsgemeinschaft offenes Radio“, der der Inhaber der Zulassung ist, hat der Staatsfunk de facto elf private UKW-Frequenzen „gekapert“, um Teile seines ureigensten öffentlich-rechtlichen Auftrags auszulagern. Grund: Er will sein regionales Kärntner Radioprogramm nicht mit „fremdsprachigen“ Inhalten „belasten“. Das ist übrigens ganz legal.

 

 

(Programmschema des Privatsenders Agora)

Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass die Regierung auf Zuruf des ORF im großen Stil dem Privatrundfunk wieder Frequenzen entzieht und Sender damit enteignet. Schon alleine deshalb, weil Brüssel etwas dagegen haben dürfte. Es hat eben auch durchaus Vorteile, EU-Mitglied zu sein. Bleibt Herrn Wrabetz zur Verbreitung seines Jugendradios eigentlich nur noch DAB+.

Über diesen technischen Standard kann man wesentlich mehr Radioprogramme als bisher über terrestrische Sender ausstrahlen. Für den ORF gäbe es da sicher gleich mehrere Möglichkeiten, neue Programme zu erfinden und zu produzieren. Auch von einem Kinderradio war ja bereits die Rede: ORF-Radios von der Wiege bis zur Bahre.

DAB+ gibt es in Österreich zwar noch nicht, demnächst startet aber in Wien ein Testbetrieb. Was dabei eigentlich getestet werden soll, ist zwar fraglich, schließlich gibt es DAB bereits in einigen anderen Ländern und funktioniert dort tadellos; zumindest technisch. Denn trotz jahrelanger Anstrengungen und unzähliger Subventionsmillionen ist DAB nirgends der große Renner. Selbst in Großbritannien, wo Staat und BBC seit Jahren Milliarden in DAB investiert haben, hat sich das terrestrische Digitalradio noch immer nicht richtig durchgesetzt. Erst vor wenigen Monaten ist die geplante UKW-Abschaltung auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Auch in Deutschland kommt DAB+ trotz größter Anstrengungen nicht vom Fleck.

Für private Anbieter ist DAB+ ein schlechtes Geschäft: zu hohe Verbreitungskosten, zu wenige Hörer. Solche Probleme plagen die gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender freilich nicht. Ein ORF Jugendradio über DAB+ wäre trotzdem ein äußerst langfristiges Projekt mit extrem ungewissem Ausgang. Ein Gutes hätte es aber in jedem Fall: Es wäre ein weiteres Argument, um die Rundfunkgebühren einmal mehr zu erhöhen. Man schafft neue Angebote, um danach wieder die Hand aufhalten zu können. Schließlich müssen all die neuen Programme und Angebote auch finanziert werden, selbstredend vom Gebührenzahler. Auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland leben sehr gut von und mit dieser Strategie. Man denke nur an die vielen neuen TV-Spartenkanäle von ZDF Neo bis Einsfestival.

Oder aber, es geht in Wahrheit um FM4. Denn in der Radiobranche wird schon länger gemunkelt, dass das in die Jahre gekommene alternative „Jugendradio“ in einen jüngeren und vor allem kommerzielleren Sender umgewandelt werden soll. Dieser soll dann dem erfolgreichen Kronehit wieder junge Hörer abspenstig machen. FM4-Hörer sind mittlerweile alles andere als jung und auch nicht besonders zahlreich. Der Alternativsender belegt damit wichtige ORF-Frequenzen, ohne einen strategischen Nutzen für Wrabetz zu haben. Es wäre für ihn deshalb sehr verführerisch, aus FM4 FM21 zu machen. Zumal die derzeitige FM4-Hörerschaft, alternde Bobos und urbane Berufsjugendliche, dem ORF weit weniger wichtig sind, als die Jungen, die derzeit andere Sender hören.

Allerdings lässt sich FM4 nicht so einfach in ein kommerzielleres Jugendradio umbauen. Schließlich gilt der Sender als intellektuell, anspruchsvoll, alternativ und unbequem. Eben die typischen eitlen Selbstzuschreibungen der 68-Epigonen. Der linkslinke Flügel der SPÖ, die Grünen und die alternative Kunst- und Musikszene würde laut aufschreien, wenn aus FM4 ein junges „Dudelradio“ würde. Deshalb spielt das Wrabetz über die Bande eines „zusätzlichen“ Senders. Weil er den ohnehin nicht bekommt, muss er, leider leider, FM4 „relaunchen“. Zugegeben, das ist eine reine Spekulation, wenn auch eine nachvollziehbare.

So oder so, der ORF versucht ständig, seine Angebote und Einflusssphäre auszuweiten, Privatsender möglichst klein zu halten, um so weiter Big Player im Medien- und Politikgeschäft zu bleiben. Und weil auch für die SPÖ ein möglichst reichweitenstarker ORF von überlebenswichtiger Bedeutung ist, ist sie nur zu gerne bereit, all seine (kostspieligen) Wünsche zu erfüllen. Der öffentlich-rechtliche Auftrag verkommt bei all diesen Planspielen zur Farce.