ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Rubriken

Archiv

Beitrag Melden

Bitte um ein Stichwort, warum dieser Beitrag als rechtswidrig oder ehrenbeleidigend (gegenüber konkreten Personen) offline genommen werden soll. Dass eine Meinung unerwünscht oder unsympathisch ist, ist kein ausreichender Grund dafür.

Ich will die Datenschutzerklärung lesen.

Beitrag melden

Werner Reichel
 

Wenige Wochen vor der Nationalratswahl hat ORF-Chef Alexander Wrabetz „12 Thesen zum Medienstandort Österreich“ vorgelegt. Dieses Positionspapier sei kein Lobbying in eigener Sache, so Wrabetz. Natürlich ist es genau das, ein 17 Seiten langer Forderungskatalog an die künftige Regierung. In den zwölf Thesen geht es um mehr gesetzlichen Spielraum und um mehr bzw. neue Einnahmen für den ORF, um eine Verbeiterung seines Angebotes und um eine langfristige politische Bestandsgarantie.

Die Erhaltung und Absicherung des Medienstandorts ist dabei nur ein leicht zu durchschauender Vorwand. Dass der ORF sich plötzlich um das Wohlergehen der privaten Konkurrenz sorgt, ist nicht mehr als ein schlechter Witz, auch wenn er angesichts der sich ändernden Marktbedingungen (Netflix etc.) durchaus neue Verbündete braucht.

Die vorgelegten Thesen sind vollgestopft mir altbekannten Phrasen, Scheinargumenten und Stehsätzen, darin geschickt verpackt sind ebenso altbekannte Begehrlichkeiten, die stets darauf hinauslaufen, die Existenz dieser geschützten Werkstätte langfristig abzusichern und es der lästigen Konkurrenz vom freien Markt möglichst schwer zu machen. Als Gegenleistung gibt es brave Hofberichterstattung. Dieses Spiel ist so alt wie der ORF, weshalb man es auch so gut beherrscht.

Dabei bedient sich der ORF Argumentationsmustern, die schon Gerd Bacher in den 70er Jahren zur Absicherung des Staatsfunk-Monopols eingesetzt hat. In These 1 heißt es: „Das Erfolgsmodell der westlichen Demokratien ist eng mit freien und vielfältigen Medien verbunden“. Richtig, Meinungs- und Pressefreiheit gehören zu den Grundpfeilern einer Demokratie. Nur, was hat das mit dem ORF zu tun?

Die Demokratie in Österreich wäre in keiner Weise in Gefahr, würde es den ORF nicht geben. Während Demokratien auch ohne öffentlich-rechtliche – sprich staatliche bzw. staatsnahe – Sender gut funktionieren, siehe etwa die USA, sind Staatssender für Diktaturen hingegen überlebenswichtig.

Zudem war es der ORF, der gemeinsam mit der SPÖ über Jahrzehnte einen liberalen heimischen Rundfunkmarkt verhindert hat. Österreich wurde deswegen 1993 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verstoßes gegen die Menschenrechtskonvention verurteilt. Es ist kein Zufall, dass auch das rot-schwarze Proporzsystem erst im Zuge der schrittweisen Aufweichung des ORF-Monopols immer brüchiger wurde.

Ebenfalls in These 1 warnt der ORF vor der „Gefahr von Filter-Bubbles und Manipulation durch Fake-News“. Jeder Mensch lebt in einer oder mehrerer solcher „Bubbles“, auch und vor allem ORF-Konsumenten. Doch die vielen neuen und kleinen staatsfernen (Internet-)Blasen bringen Unruhe in die große gebührenfinanzierte ORF-Meinungsblase. Ohne die vermeintlichen Fake-News-Produzenten hätten die Menschen von der mittlerweile historischen Silvesternacht in Köln 2015/16 wohl nie etwas erfahren.

Das ist nur eines von vielen Beispielen. Es geht nicht um irgendwelche Filter-Bubbles, sondern um für den ORF und das politisch-korrekte Establishment unangenehme Informationen und Meinungen. Zumal dieses Phänomen auch alles andere als neu ist. Was anderes als eine rote „Filter-Bubble“ war seinerzeit die „Arbeiterzeitung“ (von der übrigens sehr viele Redakteure zum ORF wechselten)?

Wenn es um den Erhalt des Staatsfunks geht, kramt man sogar das ansonsten in diesen Kreisen so böse Pfui-Wort „Identität“ hervor. In These 2 heißt es: „Starke Medien sind als Träger der Identität, ‚Kitt der Gesellschaft (…)‘“. Dass Identität der Kitt der Gesellschaft ist, sagen übrigens auch die Identitären … Huch!

In der nächsten These schwärmt der ORF von einer „vielfältigen Privatradiolandschaft“. Dass sie nicht zu vielfältig wird, dafür hat der ORF stets gesorgt. Der Staatsrundfunk nutzt einen Großteil der in Österreich verfügbaren UKW-Frequenzen und die ORF-Radios beherrschen mit einem Anteil von strammen 71% (Radiotest 2016, Hörer 10+) nach wie vor den heimischen Radiomarkt. Aber der klägliche Rest soll bunt und vielfältig, also möglichst kleinteilig und damit für den ORF ungefährlich, sein.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet (…) einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren von Gesellschaften“, heißt es weiter. Nein, eigentliche Aufgabe des Staatsfunks ist die Absicherung der Macht der herrschende Klasse, was ARD und ZDF im deutschen Bundestagswahlkampf derzeit eindrücklich unter Beweis stellen.

Gesellschaften funktionieren auch ohne öffentlich-rechtliche Sender. Um seine These zu beweisen, schreibt der ORF in seinem Positionspapier, dass laut einem Ranking der „lebenswertesten“ Staaten der Welt, Österreich auf Platz vier liegt. Danke ORF. Ohne ZiB1, Barbara Karlich-Show und "Frisch gekocht" würden wir vermutlich hinter Burundi rangieren.

In These 4 zieht der ORF - wie so oft - gegen die „Übermacht“ der deutschen Medienkonzerne ins Feld. Wie seinerzeit Gerd Bacher versucht auch Alexander Wrabetz seine staatlich gut geschützte und genährte Anstalt als mutigen Medien-David darzustellen, der beherzt gegen den deutschen TV-Goliath kämpft.  Man sei von der „zunehmenden Dominanz“ deutscher Medienkonzerne bedroht. Das war auch schon in den 70er und 80er Jahren eines der Hauptargumente sich einen aufgeblähten Staatsfunk mit entsprechend saftigen Gebühren zu halten. 1984 verkündeten nicht etwa böse FPÖ-Politiker, sondern linke ORF-Kuratoren: „Wir müssen verhindern (…), daß Ausländer in den österreichischen Markt einbrechen.“

Mehr als 30 Jahre später hat Österreich noch immer einen marktbeherrschenden Staatsfunk, die deutsche Medieninvasion ist irgendwo in Bayern stecken geblieben, dient aber weiterhin als Schreckgespenst und noch immer kommt der ORF mit seinem Österreich-zuerst-Identitäts-Geschwurbel durch. Damals wie heute mussten die deutsche TV-Konzerne als Bösewichter und Vorwand für den Erhalt des teuren ORF herhalten, weil dieser angeblich für die österreichische „Identität“ wichtig sei. Besonders originell respektive schlüssig ist das nicht. Vor allem wenn man sich den „identitätsfördernden“ Output des ORF so ansieht.

Dass der ORF, sein Chef und seine Mitarbeiter einen starken Linksdrall haben, zeigt sich unter anderem in These 5, in der eine „Media Agenda 2025“ zur Erhaltung des österreichischen Medienstandortes gefordert wird. Planwirtschaft statt freier Markt. Was das in der Praxis bedeutet, kann man sich täglich im TV ansehen. Während die mit Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Anstalten in Österreich oder Deutschland nur noch Unterhaltungsschrott mit propagandistischen Mehrwert á la Tatort oder Willkommen Österreich produzieren, kommen aus den USA, wo es keinen übermächtigen Staatsrundfunk gibt, Serien wie „Game Of Thrones“, „House of Cards“ oder „Breaking Bad“.  Marktwirtschaft ist immer produktiver, innovativer und effizienter als Planwirtschaft. Auch im Medienbereich.

Aber da es bequemer und einfacher ist, sich vom Gesetzgeber vor lästiger Konkurrenz schützen zu lassen, als attraktive und wettbewerbsfähige Programme produzieren zu müssen, fordert der ORF gar einen „nationalen Schulterschluss“. Wenn es ums eigene Geldbörsel geht, sind offenen Grenzen, Weltoffenheit und Vielfalt plötzlich nicht mehr ganz so tolle, wie man in den diversen ORF-Sendungen ansonsten so gerne predigt. Worum es wirklich geht: „Ein solcher ‚Marketplace‘ wird nur erfolgreich sein, wenn auch das reichweitenstarke ORF.at-Netzwerk daran teilnimmt und die dafür rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden“

Der ORF, der jedes Jahr mit über einer halben Milliarde an Zwangsgebühren gefüttert wird, will eine weitere Einnahmequelle auftun, zulasten der privaten Anbieter.  Der Chef des Österreichischen Privatsenderverbandes (VÖP), Ernst Swoboda, zu den 12 Thesen: "Der Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahmen für alle anderen österreichischen, nicht öffentlich-rechtlichen Medienanbieter, ist in den allermeisten Fällen nicht zu erkennen."

These 6: „Ein starker ORF ist unverzichtbar (…)“ Warum?  Weil der ORF – laut ORF – programmlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Mehrwert generiert. Sie wissen schon, Two and A Half Men-Wiederholungen, Guten Morgen Österreich etc.

Was täten wir ohne diesen „Mehrwert“ und was wäre das Filmland Österreich ohne den ORF: „Der ORF investiert 100 Millionen Euro in den Film- und Produktionsstandort Österreich und sichert somit tausende Arbeitsplätze.“ Mag sein. Nur, die 100 Millionen Euro könnte man auch ohne den Umweg über den teuren ORF direkt in die Filmwirtschaft stecken.

In der nächsten These jammert man über die Werbebeschränkungen, die nicht nur dem ORF, sondern auch den Privatsendern schaden würden. Es geht auch in diesem Fall um mehr Kohle für den Staatsfunk. Klar, was sonst?

Dass der ORF einem „klaren gesetzlichen Auftrag“ und „strengen Regulativen“ unterliegt, steht in These 8. Auch das stimmt, aber Papier ist bekanntlich geduldig. So steht im ORF-Gesetz unter §4: Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen.“  Sagen Sie sich diesen Satz zehn Mal vor, und schauen Sie sich danach die ZiB2 an.

In These 8 geht es Wrabetz um mehr „digitale Bewegungsfreiheit“. Fragt sich nur wozu und vor allem für wen? Für den Konsumenten und Bürger sicher nicht, denn das Informations- und Unterhaltungsangebot im Internet ist auch ohne ORF breit, vielfältig, anspruchsvoll oder was immer der Bürger und Konsument so mag und braucht. Mehr ORF-Angebote im Internet bedeuten vor allem eines: langfristig noch höhere Gebühren.

Es ist immer derselbe Trick: Zuerst erweitert man das Angebot, das Österreich angeblich so dringend braucht, um damit im nächsten Schritt eine Anhebung der Gebühren besser argumentieren zu können. Je größer das Angebot, je größer der ORF, desto höhere Gebühren. Eine Teufelssprirale. Aber der ORF hat für diese Forderung einen fetten Köder für seine politischen Unterstützer an seiner Angel: „Ein Großteil der Onlinediskussion findet in Österreich auf Facebook statt.“ Und wo ist das Problem? Preisfrage: Wer hat welchen Vorteil davon, wenn Diskussionen künftig nicht mehr auf Facebook oder Twitter, sondern auf Plattformen des Staatsfunks stattfinden?

In These 9 klopft man sich wieder selbst auf die Schulter. Der ORF sieht sich als „Rundfunk der Gesellschaft“. Die Gesellschaft sieht das mittlerweile etwas anders. Laut einer aktuellen Umfrage glaubt fast jeder zweite Österreicher an eine parteipolitische Bevorzugung in der ORF-Berichterstattung. Davon glauben wiederum sehr viele, dass der ORF der SPÖ hilft. Solche Umfragen finden sich in dem Thesenpapier freilich nicht. Auch in den letzten drei Thesen jammert und fordert man. So will man eine Valorisierung der Gebühren, sprich eine regelmäßige Erhöhung ohne lästige öffentliche Diskussionen darüber führen zu müssen.

Dieses Positionspapier ist ein langer Wunschzettel an die Politik, der mit seinen Forderungen jenen Kräften den Wind aus den Segeln nehmen soll, die eine (Teil-)Privatisierung des Rundfunkriesen fordern. Dafür spielt man sich als Schutzherr über den österreichischen Medienstandort auf.  

Dass dem ORF dabei aber nicht mehr eingefallen ist, als ranzige Uralt-Argumente aufzuwärmen ohne glaubwürdig darstellen zu können, welchen Nutzen und welchen Mehrwert  diese Anstalt tatsächlich für Österreich und seine Gesellschaft tatsächlich hat, unterstreicht nur, wie anachronistisch sie mittlerweile  ist.