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Kurt Ceipek
 

Der ORF berichtet ausführlich über den Skandal um die Wien Energie (es gilt die Unschuldsvermutung). Aber man wird als neutraler Beobachter das Gefühl nicht los: Gerne tun Redakteure des Links-Funks das nicht. Wenn es irgendwie möglich wäre, den überdimensionalen Kapitalbedarf wegen mutmaßlicher Mega-Spekulation unter den Teppich zu kehren, würde man das gerne tun. Im ORF will man ja die gute Freundschaft zur SPÖ und besonders zur Wiener SPÖ nicht unnötig belasten. Schließlich sind es ja vor allem die Wiener Roten, die dem ORF eine solide weil zwangsgebührenfinanzierte Zukunft sichern.

Aber das Interesse der breiten Öffentlichkeit an den dubiosen Vorgängen im Wiener Rathaus und bei der Wien Energie ist groß. Sie lassen sich nicht mehr  verschweigen. Man kommt deshalb selbst im ORF nicht mehr um Berichte, Interviews und Analysen herum. Und manches klingt für interessierte Zuhörer fast schon scharf. Aber immer wieder schimmert in den einzelnen Beiträgen der Versuch der Entlastung und Verharmlosung durch.

Die Kunst des fast immer politisch korrekten ORF besteht darin, vor allem das zu berichten, was ohnehin schon jeder Interessierte weiß, aber vieles davon zu entschärfen und Wesentliches zu verschweigen. Da enthüllte beispielsweise der Kurier, dass die Bilanz 2021 der Wien Energie für seine rund 2.200 Mitarbeiter Pensionsrückstellungen von 1,25 Milliarden Euro ausweist. Im Jahr 2014 hatte man noch mit knapp 794 Millionen Euro das Auslangen gefunden.

Der ORF war in der Vergangenheit stets bereit, schwachbrüstigen und fragwürdigen Medien wie dem „Falter“ als lautstarkes Sprachrohr zur Verfügung zu stehen, wenn es galt, irgendwelche hochgespielten aber harmlosen Liederbücher oder seltsame Ratten-Gedichte anzuprangern. Mit besonderer Inbrunst wurde das stets im Vorfeld von Wahlen praktiziert.

Aber für den Kurier will der ORF nur ungern Sprachrohr sein. Die für viele Österreicher tatsächlich aufregende Kurier-Meldung über Pensionsrückstellungen in mehr als Milliardenhöhe war den ORFlern keine Erwähnung wert. Im Kurier wird auch darauf hingewiesen, dass keiner der anderen Energie-Landesversorger auch nur annähernd so hohe Pensionsrückstellungen gebildet hat. Auch das ist für den ORF kein Thema. Dabei kann man sich selbst als Laie vorstellen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen den bedrohlichen Finanzengpässen und der Großzügigkeit des Mitarbeitern gegenüber geben könnte.

In den Sendungen „Wien heute“, Zeit im Bild 1 und der Zeit im Bild 2 wagte sich erstmals der Geschäftsführer der Wien Energie, Michael Strebl, vor die Kameras und durfte zu seiner Verteidigung sagen, dass der gemeindeeigene Wiener Energieversorger völlig schuldlos sei, denn der steile Anstieg der Strompreise sei in diesem Ausmaß völlig überraschend gekommen, wie ein Tsunami. Außerdem wiederholte er gebetsmühlenartig, dass es bei Wien Energie keine Spekulationsgeschäfte gebe.

Die naheliegende Frage, warum man schon vor eineinhalb Monaten Vorsorgen für einen starken Strompreisanstieg getroffen habe, wurde nicht gestellt. Auch nicht die Frage, warum diese Flutwelle über dem europäischen Strommarkt nur die Wien Energie in diesem Ausmaß getroffen habe, sonst aber niemanden. Hat vielleicht doch die Wien Energie etwas falsch gemacht?

Das Wirtschaftsmagazin „ECO“ wartet mit einem ausführlichen Bericht über den aus den Fugen geratenen europäischen Strommarkt auf. Der Kernsatz darin hatte das Ziel, die Wien Energie und ihren Eigentümer, die Gemeinde Wien, zu entlasten. Der Satz lautete: „Das Problem ist viel größer als die Wien Energie alleine.“ Die versteckte Botschaft darin: „Hört auf damit, die Wien Energie zu kritisieren. Die kann nichts dafür.“