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ORF2, Do, 14.08.2014, 13:38 | Werner Grotte

So bewegend der Film über Natascha Kampuschs Leidensweg gestern, Mittwoch, auf ORF 2 auch gemacht war, so unbefriedigend gestaltete sich die reale Quintessenz. Ein perverser Einzeltäter, der sich zum Schluss reumütig selbst richtete. Punktum. Die vielen nach wie vor offenen Fragen dieses dubiosen Kriminalfalles blieben dabei völlig ausgeblendet – nicht nur im Film.

In Radio Wien etwa durfte am Mittwoch Nachmittag Natascha Kampusch selbst wohlwollend ihre „große Freude“ über die "absolute Realitätsnähe" und die "hervorragenden Leistungen der Schauspieler" verkünden. Wie schön. Nach dem Buch nun ein Filmerfolg (der Streifen lief 2013 bereits im Kino). Weiter fragte der ORF-Reporter auch nicht. Heile unheile Welt.

Dabei stehen nach wie vor etliche Fragen im Raum. Etwa zur Rolle des - angeblich - besten Freundes des Entführers Wolfgang Priklopil, Ernst H., der nicht nur der letzte war, der den - angeblichen - Selbstmörder lebend gesehen hat. H. war es auch, der, nachdem ihn eine Kriminalbeamtin kurz nach der Tat mit Priklopils Schicksal im Zuge einer Fahrzeugkontrolle konfrontierte, spontan fragte „hat er’s umbracht?“. Eine interessante Frage, denn H. hatte danach stets beteuert, keine Ahnung gehabt zu haben, was sein Freund da im Keller Böses tat. Aber wen sollte Priklopil sonst „umbracht“ haben? Gab es noch andere Kinder? Oder mehrere Mitwisser/Mittäter?

Nach wie vor umstritten ist auch der - angebliche - Selbstmord des Kampusch-Chefermittlers Oberst Franz Kröll am 25. Juni 2010. Der unbequeme Kriminalist, der eine ganze Reihe von Widersprüchen und Ermittlungspannen im Verfahren gesammelt hatte, starb völlig unerwartet durch einen Kopfschuss aus seiner Dienstwaffe. Seine Frau, ebenfalls Polizistin, fand ihn einen Tag später auf der Terrasse ihres Wohnhauses. Sowohl am Schussverlauf als auch am Motiv sowie am vorgefundenen Abschiedsbrief bestehen bis heute polizeiintern große Zweifel.

Ebenfalls ungelöst ist die Frage, wie ein damals, also in der Zeit des Verliesbaues 2006, an der rechten Hand verletzter Priklopil, ein ohnehin recht schmächtiger Mann, es schaffte, alleine die rund 150 Kilo schwere Tresortüre als Zugangsbarriere im Garagen-Keller-Verlies einzubauen. Bei der letzten Kampusch-Pressekonferenz der Oberstaatsanwaltschaft Wien Anfang Jänner 2010 im Justizpalast zur Präsentation „aller aufgeklärten letzten Fragen“ im Fall wurde das auf Anfragen des Autors als „realistisch“ bezeichnet. Jeder halbwegs firme Heimwerker hätte dazu nur den Kopf geschüttelt. Viele Journalisten taten dies damals auch. Schrieben aber wenig darüber.

Dazu kommen die vielen (zufälligen?) Ermittlungspannen im gesamten Verfahren, die wiederholte Diskreditierung einer Zeugin der Entführung, die damals zwei Männer im Bus gesehen haben will – und die bis heute hartnäckig kursierenden Gerüchte um einen prominent besetzten Pädophilenring, dem nicht nur Kampusch zum Opfer gefallen sein soll. Ähnliche Hinweise fanden sich vor wenigen Jahren auch bei einem (prominent vernetzten) Wiener Kinderheim. Aber wenn der Staatsanwalt, pardon: Herrgott, net will – nutzt des gor nix, um mit dem Wienerlied-Autor Ernst Arnold zu sprechen. 

Was im Film leider zusätzlich störte, war die unpassende Sprache: Am Rennbahnweg (und auch sonst in ganz Wien oder gar in Priklopils Wohnort Strasshof) gibt es ganz sicher keinen "Kaffe" und auch keinen "Santa Clause" zu Weihnachten und schon gar niemanden der "kuckt" statt schaut. Genauso wenig wie das sonstige piefkinesische Idiom. Umso unverständlicher, als der Film in den Münchener Bavaria Studios produziert wurde - also in einer dem Österreichischen durchaus sprachverwandten Landschaft. Aber zumindest das kann man dem ORF nicht anlasten.