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Mittagsjournal

oe1Andere, Do, 01.12.2016, 00:23 | Kurt Ceipek

ORF-Redakteur Wolfgang Werth wurde mit der Aufgabe betraut, für das Mittagsjournal die finalen Interviews mit den Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer zu führen. Wie er sein Gespräch mit Van der Bellen führte, überraschte viele ORF-Watch-Leser und auch mich.

Er stellte die richtigen Fragen und hakte beharrlich nach, wo der grüne Unabhängige langatmig ausweichen wollte. Schon die Einstiegsfrage hatte es in sich. Werth: „Herr Van der Bellen, sie haben vor Politikern gewarnt, die Ängste schüren. Sie selbst sind aber auch nicht zimperlich. Sie warnen vor einer Machtübernahme der Blauen, vor einem Dammbruch in der europäischen Geschichte, vor einem Spiel mit dem Feuer und sie stellen fest, dass die österreichische Demokratie vielleicht noch nicht so gefestigt sei. Gehören Sie auch zu den Politikern, die Ängste schüren?“

Die zögerliche Antwort Van der Bellens, dass man sich um die wachsende Arbeitslosigkeit Sorgen machen müsse und ein Austritt Österreichs aus der EU unzählige Arbeitsplätze kosten würde, konterte Werth: „Ein österreichischer Arbeiter, dessen Job nach Rumänien exportiert wurde, der sieht das vielleicht anders.“

Ein wenig aus der Fassung brachte Werth den Ex-Grünen auch mit der Frage: „Einen Kanzler Strache würden Sie angeloben? Ja, nein oder vielleicht?“ Die gewundene Antwort von VdB: Strache komme für ihn als Beauftragter zur Bildung einer Bundesregierung nicht in Frage. Werth: „Ich hab sie nicht nach der Beauftragung gefragt, sondern nach der Angelobung. Nein oder vielleicht?“

Das wolle er sich vorbehalten, verweigerte VdB die geforderte Antwort.

In ähnlicher Tonart ging es weiter, was Van der Bellen spür- und hörbar überraschte. Immer wieder musste man sekundenlang auf Antworten warten.

Gespannt wartete man angesichts dieses harten aber fairen Interviews auf das Gespräch zwischen Wolfgang Werth und Norbert Hofer am folgenden Tag. Dieses wurde ähnlich konsequent geführt. Werth befragte Hofer zu Kopftuchverbot und Verschleierungsverbot. Vor wenigen Monaten habe er noch das Kopftuchverbot gefordert, zuletzt habe er sich auf ein Verschleierungsverbot zurückgezogen.

Die Hofer-Forderung, gefasste Sexualstraftäter unter den Flüchtlingen müssten sofort abgeschoben werden, regte Wolfgang Werth zur Frage an: „Wie soll das gehen?“

Im Gegensatz zu früheren ORF-Interviews, in denen Van der Bellen mit Glacé-Handschuhen angefasst wurde, während manche Interviewer Norbert Hofer fast mit Schaum vor dem Mund attackierten, gelangen dem sehr gut vorbereiteten Wolfgang Werth zwei ausgewogene Gespräche. Insgesamt waren es Interviews, wie man sie sich als neutraler Zuhörer wünscht. Sollte Wolfgang Werth eine Präferenz für einen der beiden Kandidaten haben, dann war das für den Zuhörer nicht erkennbar. Das ist ein unzweifelhaftes Zeichen für hochwertigen, neutralen und seriösen Journalismus.

Für unentschlossene Wähler ist es vermutlich lohnend, sich die beiden etwa zehn Minuten langen Interviews anzuhören.

http://oe1.orf.at/player/20161130/451498

http://oe1.orf.at/player/20161129/451443