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Ö1 Mittagsjournal

oe1Andere, Sa, 18.11.2017, 18:20 | Kurt Ceipek

Da soll noch einer sagen, in den ORF-Innenpolitik-Redaktionen wären keine großen Könner am Werk. Manchmal ist es ja die Nebenaufgabe des Journalisten, mit den Fragen zu einem Interview den Eindruck zu erwecken, dem Gesprächspartner kritische Fragen gestellt zu haben. Wenn man genauer hinhört, erkennt man jedoch, dass in Wirklichkeit genau jene Fragen gestellt wurden, die der Interviewte braucht, um seine vorbereiteten edel klingenden Sätze zu platzieren. Und außerdem kann man in eine solche Frage so viel Lob und Schmeichelei verpacken, dass es bei genauerem Hinhören peinlich wird.

Genau das war bei der Plauderei zwischen dem Wiener Bürgermeisterkandidaten Andreas Schieder und dem nicht gerade als rot-grün-feindlich bekannten ORF-Interviewer Edgar Weinzettl der Fall.

Eine solche Frage lautet beispielsweise: „Herr Schieder, Sie gelten, obwohl sie Chef der Naturfreunde sind, nicht als Abenteurer, zumindest nicht als politischer Abenteurer. Haben Sie vor der Bekanntgabe Ihrer Kandidatur ausgelotet, ob sich da eine Mehrheit unter den knapp tausend Delegierten ausgehen wird?“

In diese lange Frage war freundlicherweise schon hineingepackt, dass der von vielen dem linken Rand der SPÖ zugeordnete Schieder ein naturverbundener und damit seriöser Mensch sei. Das gilt in Zeiten, in denen auch Linke gerne wieder mit dem Schlagwort „Heimat“ auf Stimmenfang gehen, als Pluspunkt. Und dass er kein politischer Abenteurer ist, kommt bei vielen der Wiener SPÖ-Parteitagsdelegierten sicher auch gut.

Da ist die Antwort auf die Frage, ob Schieder vorher untersucht hat, ob er Chancen hat, von den Delegierten zum Bürgermeisterkandidaten gewählt zu werden, völlig nebensächlich. Die wesentliche Botschaft ist bereits platziert. Natürlich kann er auf die Frage nicht einfach „Ja“ antworten. Dafür konnte er den schönen und edlen Satz platzieren: „Nein, das ist nicht mein Stil.“ Um dann anzufügen, dass auch er – ebenso wie sein Gegenspieler Wohnbaustadtrat Michael Ludwig – in einem Gemeindebau aufgewachsen sei. Auch das könnte bei den Delegierten, von denen vermutlich unzählige in Gemeindebauten groß geworden sind, recht gut ankommen.

Natürlich muss man einem Mann wie Schieder auch die Gelegenheit geben, ordentlich über Kurz und Strache herzuziehen. Das hat Schieder natürlich weidlich genützt. Die FPÖ sei nicht die Partei der kleinen Leute und der sozial Schwachen sondern arbeite nur für die Großen, Kurz sei Wien-feindlich (wahrscheinlich weil der nicht im Gemeindebau aufgewachsen ist, Anm.) und der Innenminister sei schuld, dass zu wenige Immigranten ohne Aufenthaltsberechtigung abgeschoben werden.

Einigermaßen verblüffend war Schieders Ansage zum Thema Wiener Kindergärten. „In Kindergärten ist in letzter Zeit viel passiert, da sind sogar welche geschlossen worden, weil was wir nicht wollen ist, dass in Kindergärten radikalisiert und religiös indoktriniert wird, genauso wenig wie wir wollen, dass pädagogische Standards nicht eingehalten werden.“ Viele werden sich an dieser Stelle noch an die Empörung der Schieder-Ehefrau Sonja Wehsely erinnern, als der Integrationsminister Sebastian Kurz vor jenen Fehlentwicklungen in Wiener Kindergärten warnte, die sich mittlerweile als völlig zutreffend herausgestellt haben.

Immerhin originell war die ORF-Frage, ob Schieder auch gerne freie Hand bei der Zusammenstellung seines Teams hätte wie Sebastian Kurz. Schieder dazu: „Die Allmachtsallüren, die wie es scheint Sebastian Kurz in der ÖVP gebraucht hat, die braucht man in einer demokratischen Partei wie der SPÖ sicher nicht.“ Um dann einzuschränken: „Ein Chef soll meiner Meinung nach immer sein Team aussuchen.“

Das sollte auch möglich sein, weil der Wiener Bürgermeister in seinem Einflussbereich ohnehin über Allmacht verfügt, wie man an der explosionsartigen Entwicklung der Kosten für die Mindestsicherung in Wien auf mittlerweile rund 600 Millionen Euro erkennen kann.

Wer sich 16 Minuten lang das Interview mit Andreas Schieder antun will, hier der Link zum Mittagsjournal:

http://oe1.orf.at/player/20171118/494428