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Ö1 Morgenjournal

oe1Andere, Do, 07.12.2017, 17:31 | Werner Reichel

Mit den christlich-abendländischen Traditionen und Bräuchen können Linke in der Regel nicht viel anfangen. Dafür sind sie viel zu "progressiv". Weil aber auch der gemeine Genosse Feste, Rituale und Traditionen braucht, die sein Leben strukturieren, seinem Dasein Sinn verleihen und ihm Halt geben, hat er sich seine eigenen zusammengeschustert. Eine relativ junge linke Tradition ist die Wahl zum Wort und Unwort des Jahres. Jetzt war es wieder so weit. Diese Wahl ist stets ein politisches Statement und soll dem linken Fußvolk bestätigen, dass es auf der richtigen Seite steht.

Auf Ö1 wurden heute die Wörter und Unwörter des Jahres präsentiert. Zum Unwort wurde eines – welch Überraschung – aus dem Umfeld von US-Präsident Donald Trump gekürt. Und zwar „Alternative Fakten“. Zum österreichischen Wort des Jahres wählte die Jury „Vollholler“. Zur Erinnerung: Kern hatte die Pläne von Sebastian Kurz zur Schließung der Mittelmeerroute als „populistischen Vollholler“ bezeichnet. Und warum wurde Vollholler österreichisches Wort des Jahres 2017? Weil es das Wort dank Kern vom Dialektgebrauch in die mediale Öffentlichkeit geschafft habe, erklärt ein Jurymitglied. Und weiter: Vollholler bedeute, dass jemand sehr viel Unsinn rede. Aha.

Wobei sich auch bis zur Jury hätte durchsprechen können, dass Menschen, die tatsächlich etwas davon verstehen - etwa hochrangige Militärs -, Kern längst widerlegt haben. Eine Schließung der Mittelmeerroute ist sogar relativ einfach und problemlos und sicher kein Vollholler. Die Jury hat so wie Kern offenbar kein Problem mit alternativen Fakten. Den Unsinn hat nämlich nicht Kurz von sich gegeben, wie uns die Jury mit ihrer Wort-Wahl einreden will, sondern Kern. Aber wer braucht schon Fakten, wenn er Vorurteile hat. Dieser offensichtliche Widerspruch wird von Ö1 selbstverständlich ignoriert. 

So wie das Wort des Jahres geht auch der Spruch des Jahres an einen Sozialisten, nämlich an Michael Häupl. „Mei Wien is net deppat“, sagte der nach der Nationalratswahl, weil die SPÖ dort mit den von den Grünen abgezogenen Stimmen leicht zulegen konnte. Auch wenn die linken Parteien in Österreich schwer zerzaust sind und in einer Krise stecken, zumindest beim Wort und Spruch des Jahres haben sie abgeräumt. Applaus. Eine linke Jury pinselt linken Politikern den Bauch, der linke Staatsfunk verkündet die Frohbotschaft und das linke Fußvolk ist happy. Aber in der Echokammer leben immer die anderen.

Wenn’s hilft. Wie gesagt, auch der verunsicherte Genosse braucht seine Traditionen, seine Schulterklopfer und vor allem auch Lautsprecher wie Ö1, die solche lächerlichen und aus der Zeit gefallenen Veranstaltungen wie diese Wortwahl unkritisch und unkommentiert verbreiten.