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Bundesland heute

ORF2Andere, So, 22.07.2018, 18:11

Teil 3 der Trilogie über die Mini-Kölner-Silvesternacht des ORF: 48 (!) Stunden, nachdem die kleine ServusTV-Redaktion über den Fall berichtet hat, gesteht der ORF in Wien am Samstagabend endlich auch seinen Zusehern das Recht auf Information in einer 23 Sekunden kurzen Kurzmeldung zu und berichtet über das bislang schamvoll verschwiegene Detail, dass der tatverdächtige Angreifer auf jüdische Mitbürger in der Leopoldstadt einen türkischen Migrationshintergrund besitzt.

Es ist also vollbracht. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber offenbar ein sehr großer und sehr schwieriger für die zuständige ORF-Nachrichtenredaktion.

Man stelle sich vor, der Tatverdächtige wäre ein Bio-Österreicher und wäre vielleicht der dritte Ersatzkassier für ein FPÖ-Gemeindefest irgendwo im hintersten Waldviertel (Disclaimer: das Waldviertel ist wunderschön). Die bekannten linken Liederbuch-Journalisten in TV und Print würden vermutlich dieses Thema tagelang von frühmorgens bis spätabends trommeln und täglich würden Forderungen nach Rücktritten von Politikern einer bestimmten Partei oder gleich der gesamten Bundesregierung medial entsprechend groß transportiert werden.

Ob dies noch einer ausgewogenen und vor allem umfassenden Berichterstattung entspricht, wie es das Gesetz eigentlich für den ORF einfordert, darf man sich fragen. Entweder es handelt sich um ein absichtliches Weglassen des Täter-Migrationshintergrundes über einen langen Zeitraum von mehr als zwei Tagen. Oder die zuständige Nachrichtenredaktion ist unfähig, diese Tatsache zu recherchieren (was eine Kündigung aufgrund von Unfähigkeit zur Folge haben müsste). Auf Irrelevanz oder irgendwelche Vorgaben des Presserates kann sich der ORF jetzt auch nicht mehr berufen, weil er die Tatsache des Migrationshintergrundes ja schlussendlich doch am Samstag Abend selber als berichtenswert erachtet hat. Genau dieser Migrationshintergrund war vermutlich das entscheidende Puzzleteil, warum der ORF und andere Liederbuch-Journalisten tagelang nicht über diesen von mehreren Seiten als antisemitisch eingestuften Angriff vollumfänglich berichtet haben. Auf einen im gesamten Land ausgestrahlten eigenen umfassenden TV-Bericht dürfen die braven Gebührenzahler in ganz Österreich ja noch heute warten.

Vielleicht kann für die ORF-Verantwortlichen in den Nachrichten-Redaktionen der Ablauf dieser Mini-Köln-Silvesternacht ja doch als ein weiteres warnendes Beispiel dienen, dass es nicht mehr ganz allein ihrem Gutdünken überlassen bleibt, wann sie welche Informationen wie bringen oder welche Tatsacheninformationen sie in ihren Berichten und Meldungen – sei es aus ideologischen, sei es aus parteitaktischen, sei es aus persönlichen oder aus welchen Gründen auch immer – zurückhalten und nicht senden.

Immerhin wurde in derselben Wien-heute Sendung ganze 15 (!) Sekunden lang über die Massenschlägerei zwischen Tschetschenen und Afghanen in Wien berichtet.

Ob man das schon als echten Fortschritt auf dem Weg hin zu einer umfassenderen Berichterstattung über Realitäten in Wien und Österreich einstufen kann, sei dahingestellt. Aber immerhin wurde dieser Vorfall in Wien, wo auch wieder jemand mit einem Messer verletzt wurde, nicht völlig unterschlagen.

Hier hat der ORF erkannt, dass es zu seinem Informationsauftrag dazugehört, auch über die Nationalitäten zu berichten. Warum wurde also der Migrationshintergrund des mutmaßlichen Angreifers beim viel wichtigeren Vorfall des Angriffs auf mehrere Juden in Wien tagelang nicht genannt?

In derselben Wien-heute-Sendung, von der ich bislang annahm, dass es sich eigentlich um eine zwar lokale, aber doch noch um eine Nachrichtensendung handelt, wird einem gewissen Herrn Wegas 1:27 Minuten für einen Bericht zu seinem Comeback und unglaubliche 4:27 Minuten für ein Interview zugestanden und somit rund ein Drittel (!) der gesamten Sendezeit von 14:56 Minuten!
Wird damit klar, warum für den Vorfall eines Angriffs auf Juden in Wien in dieser Sendung nur 23 Sekunden und für die Massenschlägerei zwischen Afghanen und Tschetschenen gar nur 15 Sekunden übrig bleiben? Man setzt sich eben im mit 620 Millionen Euro gebührenfinanzierten ORF seine Schwerpunktthemen selber, wie man will.

Viele Medienkonsumenten warten auf ein Ende des Liederbuch-Journalismus in Österreichs Medienhäusern.