ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Rubriken

Archiv

Sendungskritik Melden

Bitte um ein Stichwort, warum diese Kritik als rechtswidrig oder ehrenbeleidigend (gegenüber konkreten Personen) offline genommen werden soll. Dass eine Meinung unerwünscht oder unsympathisch ist, ist kein ausreichender Grund dafür.

Ich will die Datenschutzerklärung lesen.

Beitrag melden


Ö1 Mittagsjournal

oe1Andere, Sa, 01.09.2018, 18:39 | Niklas G. Salm

Endlich wieder einmal ein Mittagsjournal für Genießer, für Freunde der reinen Wahrheit (=Prawda), für grüne Träumer und rote Bonzokraten, für moralisch und intellektuell Überlegene, für Klatschende und Weltoffene, ja für die Creme de la Creme in den Innenstädten im Lande Bobostan. Also für eine kleine Minderheit, deren Belustigung im Äther von der großen Mehrheit dieses Landes zwangsfinanziert wird, die diese Ergüsse aber nicht ganz so lustig finden dürfte.

Willkommen in der Wunderwelt von Ö1, wo der Kommunismus noch das Heil für den Globus bedeutet und alles abseits von Marx und Engels verteufelt wird. Was gab es da für den Noch-Nicht-Links-Erleuchteten wieder alles zu staunen. Zum Beispiel war da ein martialischer Beitrag über die Gewerkschaften, der so wohl selbst in der viel zu früh von uns gegangenen Arbeiterzeitung nicht stattfinden hätte können. "Wir werden uns zurückholen, was uns genommen wurde - im Herbst ist Zahltag!", darf ein kämpferischer ÖGB-Häuptling Katzian mit grollender Stimme verkünden.

Was den neoliberal geknechteten Arbeitssklaven im Zuge der heutigen Einführung des "12-Stunden-Tages" genau genommen wurde, verraten uns die Genossen vom Rotfunk leider nicht so wirklich. Denn eigentlich wurde Arbeitnehmern und Arbeitgebern eher etwas gegeben - nämlich mehr Flexibilität und Selbstbestimmung. Und wer nur ein bisschen nachdenkt, wird feststellen, dass die 12 Stunden Maximalarbeitszeit auch wirklich nur bei Auftragsspitzen Sinn machen und sonst wohl kaum zum Einsatz kommen werden.

Denn was hätte der Arbeitgeber davon, seine Mitarbeiter von 12 Stunden Dauerarbeit zu überzeugen (zwingen kann er sie ja ohnehin nicht, da jeder Arbeitnehmer einzeln zustimmen muss)? Dafür müsste er eben an anderer Stelle frei geben, da ja die Gesamtarbeitszeit gleich bleibt. Und in 8-Stundenblöcken ist die Leistung auf Dauer sicher besser, als in 12-Stunden-Einheiten. Also wird kaum ein Firmenchef nur rein aus Sadismus 12 Stunden arbeiten lassen, weil er nichts davon hat. Aber so weit zu denken ist natürlich für manche etwas viel verlangt.

Stattdessen darf ein weiterer Gewerkschaftsbonze verkünden, dass der Herbst für die Arbeitgeber "heavy" wird. Man fordert in den Kollektivvertragsverhandlungen Geld und vieles mehr. Auch großflächige Streiks werden offen angedroht. Vielleicht schafft man es gar, dem Wirtschaftsstandort dauerhaften Schaden zuzufügen - ei, das wäre doch super! Und alles nur, weil die Bonzen selber um Macht und Einfluss zittern, haben sie doch bisher zu jedem - mit Verlaub - Furz ihren Sanctus geben müssen und damit innerbetrieblich eine große Macht gehabt. Das neue Gesetz erlaubt es jedem Arbeitnehmer alleine zu entscheiden, ganz ohne rote Bonzen. Das ist der Hauptaufreger für den roten ÖGB, der im Rotfunk aber natürlich kein Thema sein darf.

Nur kurz gestreift sei auch das komplexe Thema, dass man im Nationalrat über elektronische Abstimmungen per Knopfdruck nachdenkt. Eine Angelegenheit, die offenbar ebenso kompliziert wie sicherheitstechnisch herausfordernd ist. Immerhin muss für jeden Abgeordneten ein Knopf für Ja, und einer für Nein installiert werden. SPÖ-Klubchef Schieder fordert daher, dieses System in den nächsten Jahren(!) zu etablieren. Ja, sowas dauert Jahre! Tipp an dieser Stelle für SPÖ und ORF: Vielleicht ließe sich das sogar noch beschleunigen, wenn man rasch ein paar tausend Abstimmungsexperten und Knopftechniker aus Afghanistan ins Land holt. Na, wäre das nicht wieder eine Idee? Dann könnten die 366 erforderlichen Druckknöpfe für die 183 Abgeordneten eventuell sogar schon bis Ende 2019 installiert werden.

Richtig prickelnd wird es schließlich bei "Im Journal zu Gast" mit "Extremismusforscherin" Julia Ebner. Da wird schon in der Einleitung von Troll-Armeen und von ihnen manipulierten Wahlen erzählt, die überall lauern wie der böse Wolf auf das arme Rotkäppchen. Ein richtiges linkes Märchen eben mit rechten Bösewichten von Trump bis zu besagten Troll-Armeen, die militärisch organisiert seien mit Befehlsstruktur und allem Pipapo. Frau Ebner weiß das so gut, weil sie "undercover" im Internet ermittelt wie eine Art Online-Bond. Natürlich ermittelt Julia Bond im rechtsextremen Milieu und bei den Islamisten und hat dort auch viele Parallelen festgestellt. IS und Rechte sind ja überhaupt fast ident.

Lustigerweise ermittelt Frau Bond, ähm, sorry, Frau Ebner zufällig nicht bei irgendwelchen Linksextremen. Vermutlich, weil es sowas wie Linksextreme gar nicht gibt. Zumindest nicht bei Ö1 und seinen Freunden, wo man ja gar nie weit genug links stehen kann. Und linke Trolle gibt es schon mal gar nicht, wie man auch hier bei "ORF-Watch" immer wieder erleichtert feststellen kann. Von linker Seite kommen stets nur durchdachte, fundierte und konstruktive Diskussionsbeiträge, die das Gegenüber wertschätzen und den fruchtbaren Dialog fördern. Das weiß auch Frau Ebner, darum gibt es bei den Linken nichts zu untersuchen. Parallelen zwischen Linken und Islamisten sind sowieso undenkbar, auch das weiß jedes Kind.

Trolle sind also ausschließlich rechts bzw. rechtsextrem (wobei diese beiden Begriffe im ORF mittlerweile ohnehin synonym verwendet werden) oder aus der Allah-Welt entfleucht. Wer es noch nicht wusste, hatte also wieder einmal die Möglichkeit zu lernen, dass es im Gegensatz dazu auf linker Seite absolut nichts Verwerfliches gibt! So spricht die "Expertin" auch nur davon, wie Rechte den politischen Gegner einzuschüchtern versuchen. Dass gerade die ultralinke Antifa nicht nur einschüchtert, sondern weit darüber hinausgeht und etwa in Deutschland AfD-Veranstaltungen stürmt bzw. durch Gewaltandrohung bereits oft im Vorfeld verhindert; dass Autos von rechten Politikern abgefackelt werden und Büros von unliebsamen Rechten verwüstet werden; dass wie in Hamburg ganze Stadtteile in Schutt und Asche gelegt und Polizisten reihenweise verletzt werden, ja das sind vermutlich alles Fake News, in die Welt gesetzt von rechten Troll-Armeen. So sieht's nämlich aus.

So nebenbei: Wer hat eigentlich schon mal davon gehört, dass die viel gescholtenen Identitären Autos von Linken abgefackelt und Büros von Linken verwüstet haben, vermummt linke Parteigänger attackierten, Steine von Dächern auf linke Köpfe geworfen oder den Life-Ball zu verhindern versucht haben? Wenn Sie noch nichts Derartiges vernommen haben, dann nur, weil rechte Troll-Armeen das verhindert haben. Heiliges Rothäute-Ehrenwort! Der Vormarsch "rechtspopulistischer" Parteien quer durch Europa hat übrigens auch nur mit straff organisierten Troll-Armeen zu tun und keineswegs mit völlig verfehlter linker Politik.

Das Erfolgsgeheimnis ist nämlich, wie wir von Ö1 erfahren, dass den unbedarften Stimmbürgern durch Troll-Armeen vorgegaukelt wird, dass viel mehr Mitmenschen rechtes Gedankengut vertreten würden, als es in Wahrheit der Fall ist. So die Expertin. Linke würden sowas natürlich nie tun. Linke spammen nie irgendwelche Foren zu, nutzen niemals Fake- und Multi-Accounts, wollen nie irgendeinen Eindruck erwecken. Und sie werden auch nie durch Forenzensur unterstützt, die massenweise konservative Postings löscht. Denn gäbe es linksmotivierte Zensur in den Foren der Mainstreammedien, dann wäre der Erfolg der rechten Trolle ja noch gewaltiger, weil sie schneller posten würden, als die linken Forumswächter löschen können. Das wäre aber auch unfair, weil die neoliberalen Rechtstrolle den 12-Stunden-Tag nutzen können, während auf linker Seite nur gewerkschaftlich zugelassene 8-Stunden-Löscheinsätze möglich wären.

Bezeichnend auch, dass die Frau Extremismusforscherin auf die Frage nach konkreten Beispielen erfolgreicher rechter Troll-Einsätze in Österreich nur herumeierte und kein einziges konkretes Beispiel nennen konnte. Wie auch - Frau Gertrude war ja gar nicht rechts, oder? Nachgehakt, wie es bei jedem rechten Schurken im Verhörstuhl der Fall wäre, wurde natürlich nicht. Aber hören wir an dieser Stelle auf, denn man könnte endlos weiterschreiben - das Interview dauerte ja auch endlose 16 Minuten. Einigen wir uns besser darauf, dass jeder, der nach Konsum dieses Mittagsjournals noch immer nicht links ist, einfach zu dumm ist. Für alles.

PS: Als journalistisches Feigenblatt wurde irgendwo in der Mitte des Interviews kurz die Frage eingestreut, ob es das alles nicht auch auf linker Seite geben würde. Antwort der Expertin: Ja schon, aber eigentlich ist das Phänomen rechts. Toll, besser kann man nicht argumentieren. Es gibt das alles auch bei den Linken, aber das interessiert mich nicht, darum sage ich einfach, das ist alles rechts. Punkt! Dafür fordert die allwissende 27-jährige Expertin mehr Geld für NGOs. Und gibt im Schlusssatz auch noch zu: "Ja, manchmal werde ich durchaus paranoid." Tja, so sehen wahre Experten aus. Alles klar. Also zumindest ich habe es jetzt verstanden und bin absolut überzeugt, dass überall Nazis und Troll-Armeen lauern - Freundschaft!

PPS: Für Hartgesottene und Lernresistente mit Nerven wie Drahtseile hier der Link zum Mittagsjournal, das man ebenso gut als Sozi-Horror-Schwachsinn-Show ankündigen hätte können: https://oe1.orf.at/player/20180901/524358