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Das Radio Wien Magazin

radiowAndere, Di, 05.02.2019, 17:25 | Werner Grotte

Einen „gaanz genialen Typen“ hatte Hatschi Bankhofer am Montag Nachmittag zu Gast im Radio-Wien-Studio:  Manuel Schmidt, den Wirt des „Dresdnerhofes“ in Wien-Brigittenau. Dessen „Spezialität“ in der kalten Zeit ist, dass er von gewissen Gästen eine Woche lang kein Geld verlangt, nämlich von Obdachlosen. In Zeiten, wo das Mittagsgeschäft vorbei ist, also etwa ab 14.00 Uhr, werden diese täglich eine Stunde lang mit einfachen Gerichten – und ohne Alkohol – ausgespeist. Die Aktion lief heuer zum dritten Mal.

Auf die Frage, wie das im Detail abläuft, erzählte der Wirt, dass die „normalen“ Gäste mit den Obdachlosen nicht in Berührung kämen, weil letztere in einem Extrazimmer verköstigt würden. Es sei nämlich schon zu Reservierungs-Stornierungen gekommen, weil manche Gäste geglaubt hätten, sie müssten jetzt mit Obdachlosen am selben Tisch sitzen.

Das konnte der gute Hatschi aber gar nicht verstehen: „Na, und wenn’s so wär…?“ fragte er in bester Gutmenschen-Manier.

Der Wirt holte ihn behutsam von seinem sozialutopischen Ross herunter: „Es ist schon klar, wenn hier Leute mit der Familie oder Geschäftspartnern essen und 49 oder 50 Euro bezahlen, dann wollen sie keinen Kontakt mit solchen Leuten. Viele von denen riechen nicht gut oder sind schmutzig angezogen“, erklärte der Wirt dem Hatschi die reale Welt.

Doch der ließ nicht locker: „Wäre vielleicht die nächste Stufe, wenn man schaut, dass gerade solche Gruppen miteinander ins Gespräch kommen…“

Der Wirt meinte, dass es wohl einige interessante und außergewöhnliche Geschichten gebe, die so mancher Obdachlose auf Lager habe. Hatschi war natürlich sofort Feuer und Flamme, diese zu hören. Schließlich ist es ja nicht nur edel und gut, solchen Leuten zu helfen, sondern man könne ja auch noch soo viel von ihnen lernen.

Es folgten die aus zahllosen „Gruft“-Reportagen bekannten Berichte über Schicksalsschläge, die aus einem arbeitsamen, jungen Mann ganz schnell einen Alkohol und Drogen konsumierenden Moribundus machen, der nicht einmal mehr seine Miete zahlt, delogiert wird und sich auf der Straße wiederfindet. Wäre Hatschi in die "Gruft" oder in die "Vinzi-Rast" gegangen, er hätte solche Geschichten hundertfach aus erster Hand gehört. Doch darum ging es ja primär nicht. 

Hatschi greift den Ball des Wirten von den Ursachen der Obdachlosigkeit sofort auf: „Nicht vergessen darf man ja die vielen psychischen Krankheiten! Wenn jemand ein körperliches Gebrechen hat, dann sagen die Leut‘, so a armer Hund, aber wenn einer depressiv ist, dann heißt’s nur, na soll er halt mehr lachen“, plaudert Hatschi aus der Psychotherapeuten-Schule (die er nie besucht hat). Natürlich darf auch der erhobene Zeigefinger Richtung „Teufel Alkohol“ nicht fehlen. An dem Mann ist ein Mormonen-Prediger verlorengegangen!

Nun hinterfragt Hatschi auch noch die „Erfolgsgeschichten“ der Gratis-Gäste – gibt es solche, die sich wieder derfangen? Natürlich, erzählt der Wirt und bringt ein Beispiel. „Na und das sind dann die Leute, die kommen vielleicht als zahlende Gäste hierhier und unterstützen damit wieder die Obdachlosen“, zieht Hatschi die zum Glück doch noch geschaffte Heile-Welt-Schlinge zu.

Hatschis subtilen Versuch, den Wirten als allzu edlen Ritter hinzustellen, der hier – trotz schwerer Zeiten für die Gastronomie! – einfach selbstlos etwas herschenkt, nimmt Schmidt dann doch ein bissl den Wind aus den Segeln: „Wir sind ja mittlerweile ein recht großer Betrieb und es wird wahnsinnig viel weggeschmissen. So bekommen diese Lebensmittel Leute, die sie brauchen“, verweist er auf Supermärkte, die ähnliche Aktionen ebenfalls schon gestartet hätten.

Nun versteigt sich Hatschi in höhere Shpären und bringt die in manchen Kaffeehäusern angebotene Wohltat aufs Tapet, wo Gäste, die einen Kaffee konsumieren, zwei bezahlen, und den zweiten bekommt dann ein Obdachloser. Ob er sich das nicht auch vorstellen könne, etwa mit einem Gulasch. Auch hier holt ihn der Wirt rasch auf den Boden des Geschäftslebens: „Ein Gastronomiebetrieb ist, so wie jeder Betrieb, in erster Linie dazu da, Umsatz zu machen. Es sei auch ziemlich sinnlos, jetzt Gratis-Suppe für Obdachlose anzubieten, wenn potentielle Esser aus ganz Wien, wohl auch noch ohne Fahrschein, hierherfahren müssen. Hört sich nett an, bringt den Obdachlosen aber nix.“

Es folgen noch weitere Lobhudeleien und schmeichelhafter Small Talk mit dem Wirten – insgesamt fast eine halbe Stunde lang.

Wir wollen weder dem menschenfreundlichen Wirten noch dem guten Hatschi Böses unterstellen. Aber ein wenig nachdenken wird man schon dürfen.

Laut aktueller Tarifliste des ORF kostet eine Werbesekunde auf Radio Wien 15,3 Euro. Das sind 918 Euro pro Minute. Für 30 Minuten sind das 27.540 Euro.

Demgegenüber stehen in drei Jahren insgesamt drei Wochen, in denen der Wirt pro Tag eine Stunde (also insgesamt 21 Stunden) Obdachlose verköstigt – mit einfachen Speisen oder „Resteln“, die er nicht wegschmeissen muss. Und wenn er halbwegs schlau ist, kann er die Aktion auch noch als Spende von der Steuer absetzen.

Aber wie heißt es doch so schön: „Tu Gutes und rede darüber“ – oder lass‘ darüber reden.

PS: Wien ist in Europa (und wohl auch weltweit) eine der Städte, in der extrem viel für Obdachlose getan wird. Zahlreiche Vereine wie die Caritas ("Gruft" etc.), Vinzi-Dorf, Neunerhaus etc. raufen sich nur so um den fetten Betreuungs-Kuchen, der vom allmächtigen FSW (Fonds Soziales Wien) verteilt wird. Kaum eine andere Randgruppe ist so gut versorgt. Von den mittlerweile rund 4.700 Obdachlosen in Wien rekrutiert sich allerdings ein immer hoherer Prozentsatz (derzeit rund 60 Prozent) aus (meist Ost-)Ausländern. Böse Zungen sprechen nicht umsonst von Wien als "Sozialamt der Welt"...