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Grüner für den ORF & Applaus für Kurz-Umfaller

Andere, Mi, 19.02.2020, 15:06 | Niklas G. Salm

Mit einer höchst interessanten Meldung zur Zukunft des ORF lässt unter anderem die Tageszeitung Österreich aufhorchen. So soll es mit türkiser Zustimmung scheinbar zu einer Machtübernahme im ORF-Stiftungsrat kommen - Chef dieses Gremiums ist derzeit noch Norbert Steger (FPÖ). Der soll aber, so der Bericht, bald durch den neuen grünen Kandidaten Martin Radjaby abgelöst werden. Dem hätte die Kanzlerpartei inoffiziell bereits zugestimmt. 

Das berichtet übrigens nicht nur Österreich, sondern zum Beispiel auch die Wiener Zeitung. Dort wird als Kandidat zwar nicht Radjaby, sondern Lothar Lockl genannt, das Ergebnis dürfte aber ziemlich dasselbe sein. Nur was wirft das eigentlich für ein Licht auf die ÖVP? Nun, zumindest unterstreicht das nicht gerade, dass es irgendwelche türkisen Reformpläne für den Linksfunk geben dürfte. Denn ein grüner Stiftungsratvorsitzender steht vor allem für ein "Weiter so". Oder eventuell auch für ein "Noch mehr vom Gleichen". Egal, ob er jetzt Lockl, Radjaby oder sonstwie heißt. 

Es zeigt auch einmal mehr, wer in der alten türkis-blauen Koalition von Ende 2017 bis Mai 2019 in punkto ORF auf der Bremse gestanden haben dürfte. Die Freiheitlichen waren es wohl eher nicht, obwohl man sich sicher auch von denen mehr Engagement für eine Reform der Rundfunk-Kolchose auf dem Küniglberg gewünscht hätte. Tja, damit stellt sich einmal mehr heraus, dass Kanzler Sebastian Kurz, bei dem ja die Medienagenden direkt angesiedelt sind, zwar immer wieder gerne verbal lautstark rechts blinkt, in seinen Taten dann aber flockig links abbiegt. 

Dazu passt übrigens auch dieser ORF-Bericht. Kurz hatte ja wochenlang vehement gegen eine Verlängerung der EU-Mission "Sophia" zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer protestiert und eine solche immer wieder dezidiert abgelehnt. Jetzt kommt einfach eine neue EU-Mission unter neuem Namen, die offiziell zwar nicht der Rettung von Flüchtlingen, sondern der Kontrolle des Waffenembargos gegen Libyen dienen soll, und schon hat Kurz über seinen Außenminister Schallenberg freudig zugestimmt. 

Die Krux dabei: Offiziell soll es diesmal zwar keine Rettungsmission sein, aber die Schiffe wären trotzdem zur Rettung verpflichtet, sollten sie "zufällig" doch auf Bootsflüchtlinge treffen. Das erfährt man natürlich nicht so glasklar im entsprechenden ORF-Bericht, aber zum Beispiel hier im Focus. Wir zitieren: "Zwar sind auch Kriegsschiffe nach internationalem Recht dazu verpflichtet, Schiffsbrüchige aufzunehmen. Doch sollen die Fregatten und Kreuzer der EU nur im östlichen Mittelmeer eingesetzt werden, also weitab der zentralen Mittelroute, die Flüchtlinge nehmen, um von Nordafrika nach Europa zu gelangen."

Nun ja, natürlich erwartet in der EU keiner, dass die Schlepper auf das neue Einsatzgebiet der EU-Schiffe reagieren könnten. Logisch. Selbiges erwartet aber offenbar sogar der ORF, der zwar nicht viel von geplanter Seenotrettung schreibt, aber in obigem Bericht diesen vielsagenden Absatz einbaut: "Auch einen Schlüssel für die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Länder gebe es nicht, sagte Schallenberg. Laut Italiens Außenminister Luigi Di Maio werde über die Regeln zur Aufnahme geretteter Menschen später diskutiert. Hier gebe es zwei Optionen: Entweder nehme das Land des betreffenden Schiffes die Geretteten auf oder es werde ein Rotationsverfahren gefunden."

Tja, warum nur findet sich diese Passage im ORF-Bericht, wenn an eine Seenotrettung doch gar nicht gedacht sei? Hm, schwierig. Natürlich erwähnt der ORF auch nicht, dass Kanzler Kurz und sein Außenminister Schallenberg nach großen Worten in der jüngeren Vergangenheit jetzt doch wieder vor der EU in die Knie gegangen sind. Auch wenn man den jungen Kanzler sonst noch so gerne ins Visier nimmt - in diesem Fall war er ja "brav". 

Und so begrüßen auf ORF-Online auch der grüne Linksaußen Michel Reimon, die grüne EU-Delegationsleiterin Monika Vana und SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder den ebenso plötzlichen, wie klammheimlichen Schwenk der türkisen Verantwortlichen in der Regierung. Der Applaus von linker Seite und die noble Zurückhaltung des ORF zum Kanzler-Umfaller sagen wohl alles. Und wie es in Sachen EU-Budget weitergeht, werden wir sicher auch bald vom ORF erfahren. Auch dabei wird vermutlich ein sanfter Ton die Musik machen.