ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


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Werner Reichel (Fakten: Do, 02.10.2014, 12:37)
Schwarze Welle, roter Schirm

Die unabhängigen Zeitungen starteten im Oktober 1964 , also vor genau 50 Jahren , ein Volksbegehren gegen den Einfluss der Politik auf den ORF. Über 830.000 Österreicher haben unterschrieben und damit ein unmissverständliches Zeichen gesetzt. Der ORF wurde  danach unter der ÖVP-Alleinregierung  von Bundeskanzler Josef Klaus grundlegend reformiert. Er bekam einen klaren Programmauftrag und einen neuen unabhängigeren Generaldirektor. Der Würgegriff von SPÖ und ÖVP wurde damals zumindest etwas gelockert.

Eine fünfteilige Serie zum Jubiläum des Rundfunkvolksbegehrens 

Teil1:  Schwarze Welle – roter Schirm

Der Rundfunk stand in den 50er und 60er Jahren unter der totalen Kontrolle der beiden Großparteien. Die ÖVP dominierte den Hörfunk, die Sozialisten das Fernsehen. Schwarze Welle – roter Schirm, so beschrieben die unabhängigen Journalisten damals die Zustände im noch jungen ORF. Der Rundfunk war für die beiden Parteien laut Helmut Zilk, „ein Bauchladen zur medialen Selbstbedienung“.

Der SPÖ gelang es damals, die medienpolitische Unbedarftheit der ÖVP geschickt auszunutzen und das Fernsehen unter ihre Kontrolle zu bringen.  Historikerin Christa Hanreich: „Unter der Leitung des Fernsehdirektors Gerhard Freund entwickelte sich das Fernsehen zu einem weitgehend ‚SPÖ-autonomen‘ Imperium“. Die Volkspartei hatte das neue Medium vollkommen unterschätzt. Von ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab stammt der legendäre Ausspruch: „Das Kasperltheater hört sich eh bald auf, wer wird denn schon in das Narrenkastl hineinschauen“.

Weil sie das Fernsehen lediglich für eine technisches Spielerei hält, stimmt die ÖVP einem monatlichen Programmentgelt von 50 Schilling zu, während sie gleichzeitig eine faktische Blockierung der Hörfunkgebühren bei sieben Schilling pro Monat zulässt. Eine fatale Fehlentscheidung, wie sich später herausstellen wird.  Die Spannungen zwischen den Koalitionspartnern nehmen zu. Vorerst findet der Kampf zwischen Rot und Schwarz um die Macht im Rundfunk von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt statt.

Erst im Lauf der 60er Jahre machen die parteiunabhängigen Zeitungen auf die intensive parteipolitische Einflussnahme auf den Rundfunk aufmerksam. Vor allem auch deshalb, weil die Programmqualität zusehends mieser wird.  Der deutsche Spiegel schreibt damals über das österreichische Rundfunkprogramm: „Die Wiener Wellen waren Tiraden von Gewerkschaften und Unternehmern, Arbeiter- und Bauernkammer, Kanzler und Vizekanzler. Die Nachrichten begannen – auch wenn anderswo Geschütze donnerten – stets mit heimatlichen Ordensverleihungen oder Hofratsernennungen.“

Der langjähriger Herausgeber der Kleinen Zeitung, Fritz Csoklich,  über diese Zeit: „Im Vergleich zum Nationalsozialismus war er [der Rundfunkjournalismus] relativ frei. Aber wirklich frei war er nicht. Ein Fortschritt gegenüber dem Nationalsozialismus. Kein Vergleich zu den kommunistischen Nachbarländern (…). Aber bei uns gab es keine freie Publizistik im heutigen Sinn.“ Selbst das ohnehin genügsame heimische Fernseh- und Radiopublikum begann angesichts dieses Angebots  zusehends zu murren.  

Der  Streit  zwischen den beiden Großkoalitionären wird immer heftiger. Die Auseinandersetzungen führen zur sogenannten Rundfunkkrise. Weil die Zahl der Fernsehzuseher stetig steigt, werden auch immer mehr Fernsehgebühren in die Kassen des SPÖ-dominierten Mediums gespült. Die Zahl der Hörfunkteilnehmer und damit die Einahmen für das ORF-Radio stagnieren hingegen. Mit rund zwei Millionen zahlenden Teilnehmern ist für den Hörfunk 1961 der Zenit erreicht, während beim Fernsehen die Zahlen steil nach oben gehen. Gab es 1959 gerade einmal 50.000 Teilnehmer, waren es 1966 bereits rund 750.000.

Die Sozialisten sehen keinen Grund, dem finanzschwachen und von der ÖVP-dominierten Hörfunk mit einer Gebührenerhöhung unter die Arme zu greifen. Für eine solche braucht es nämlich eine Zweidrittelmehrheit im Rundfunk-Aufsichtsrat und dazu sind die Stimmen beider Parteien notwendig. Durch die SPÖ-Blockade gerät der aufgeblähte und ineffiziente Rundfunk zusehends in Geldnot. Die Tageszeitung Die Presse berichtet 1962:„Aus der Rundfunkmisere ist ein richtiges Debakel geworden, so sehr, daß die Sender sogar nur mehr mit halber Kraft arbeiten dürfen (…)“  

Die unabhängige Presse macht Druck, ÖVP und SPÖ versprechen Reformen. Doch die fallen völlig anders aus, als von den Zeitungen gefordert. Im Zuge der Koalitionsgespräche nach der Nationalratswahl von 1962, beschließen die beiden Parteien ein geheimes Abkommen.  „Das besagte, alle Positionen im Hörfunk und im Fernsehen werden in jeder Abteilung parteipolitisch besetzt (…) und so könne man sich gegenseitig kontrollieren“, so Hugo Portisch, damals Kurier- Chefredakteur.

Zudem hatten SPÖ und ÖVP  vereinbart, dass nur noch Inhalte gesendet werden durften, die parteioffiziell zur Sendung freigegeben werden. Hugo Portisch: „Man hatte die Einsetzung von regelrechten Politkommissaren beschlossen.“

Diese Geheimabkommen wird dem Kurier zugespielt...

Dieser Text ist ein gekürzter und überarbeiteter Auszug aus dem Buch: Die roten Meinungsmacher - SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute (Baden-Baden, 2012)