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Werner Reichel (Ideologie: Mi, 13.12.2017, 08:29)
Kritik: Als Radiomachen illegal war

Es ist ein seltsames, ein selektives Geschichtsverständnis. Der Titel dieser Sendung auf Ö1 vermittelt dem Hörer den Eindruck, der ORF betreibe kritische Vergangenheitsbewältigung in eigener Sache, beschäftigt sich ernsthaft mit der jüngeren Geschichte des heimischen Rundfunks. Davon kann allerdings keine Rede sein, obwohl es genügend Gründe dafür geben würde.

Es waren schließlich der ORF und die SPÖ, die gemeinsam und erfolgreich über viele Jahre und Jahrzehnte erfolgreich für das Monopol des Staatsfunks und gegen eine Liberalisierung des österreichischen Rundfunkmarktes kämpften. Und zwar mit (fast) allen Mitteln. Selbst als in den ehemaligen kommunistischen Diktaturen bereits private TV- und Radio-Stationen legal sendeten, war dank dieser linken Verhinderungspolitik in Österreich Privatrundfunk noch immer strengstens verboten. Der ORF hatte das alleinige Recht, Radio und TV zu betreiben. Wer gegen dieses Sendemonopol verstieß, wurde verfolgt.

Da verstand der von 1992 bis 1996 zuständige Verkehrsminister Viktor Klima keinen Spaß.  Die SPÖ wollte ihr wichtiges und mächtiges Propagandainstrument keiner privaten Konkurrenz aussetzen. Und auch der ORF wollte weiterhin alle Vorteile und Privilegien, die ein Monopol so mit sich bringt, genießen. Erst als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich im Jahr 1993 wegen dieses menschrechtswidrigen Zustandes verurteilte und weil Österreich damals der EU beitreten wollte, fiel scheibchenweise und in einem zähen Prozess von 1995 bis ins neue Jahrtausend hinein das ORF-Rundfunkmonopol.

Von all dem hörte man in dieser Sendung kein Wort. Stattdessen zeigt man mit dem Finger auf die Kleinen, also Mitarbeiter der Post (Fernmeldebehörde) und der Polizei, die nichts anderes gemacht hatten, als auf die Einhaltung jener Gesetze zu achten, die die damaligen Radiopiraten vor allem der SPÖ zu verdanken hatten. Denn es waren stets die Sozialdemokraten, die für „ihr“ Monopol kämpften und die für diesen undemokratischen und menschenrechtswidrigen Zustand hauptverantwortlich waren. Auf all diese nicht ganz unwesentlichen Aspekte hat man in diesem Radiofeature glatt vergessen.

Jetzt nach 25 Jahren versucht der ORF den Eindruck zu vermitteln, als hätte man Verständnis für die Ziele und Aktionen der Radiopiraten Anfang der 1990er Jahre gehabt, als wäre man auf ihrer Seite gestanden. Das Gegenteil ist richtig. Das erinnert etwas an den linken Antifaschismus:  Je länger Hitler tot ist, desto größer wird der Widerstand gegen ihn.

Anfang der 1990er Jahre war der ORF alles andere als ein Freund der Radiopiraten und all jener, die mutig und mit hohem Risiko für einen liberalen Rundfunkmarkt gekämpft haben. Damals hätte es für einen ORF-Mitarbeiter Mut und Zivilcourage gebraucht, um sich offen für ein Ende des Rundfunkmonopols auszusprechen. Nach Wissen des Autors war damals aber kein einziger ORF-Mitarbeiter bereit, sich für Presse- und Meinungsfreiheit auch im Rundfunkbereich einzusetzen. Man dachte gar nicht daran.

Wie  im ORF über einen freien Rundfunkmarkt damals gedacht wurde, beschreibt der ehemalige Chef von Ö1, Alfred Treiber, im Buch „Vom Dampfradio zur Klangtapete“ so: „Ich als kleiner Maxi habe mir immer vorgestellt, dass Österreich glücklich sein kann, wenn es eine große funktionierende Medienorgel besitzt. Und die Öffentlichkeit, und da wieder in erster Linie die Print-Öffentlichkeit, übernimmt die Kontrolle.  Jetzt wollen aber die Herdenhunde lieber selber Herde sein. Und die Schwarzkappler denken an den Besitz eigener Straßenbahnen …“ 

Die Monopolzeiten sind vorbei. Jetzt, wo ein Bekenntnis zur Meinungsfreiheit auch im Rundfunkbereich keinerlei Mut mehr erfordert und keine persönlichen Nachteile mehr mit sich bringt, ist man nun auch im Staatsfunk auf Seiten der damaligen Kämpfer gegen das Monopol, versucht sich mit deren Einsatz und Mut zu schmücken. Angesichts des größer werdenden historischen Abstands und der rezenten Situation, hat sich auch der ORF mit den Aktivitäten der Radiopiraten angefreundet.

Was für eine Heuchelei, welch seltsam verdrehtes Geschichtsverständnis!