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Niklas G. Salm (Ideologie: Mi, 30.01.2019, 22:19)
"Sie könnten ja gleich für die SPÖ kandidieren"

Ein Tag mit Ö1 ist wie ein Tag - ja wie eigentlich? Wie ein Tag in der Folterkammer? Wie ein Tag im Steinbruch? Wie ein Tag in der Hölle? Nun, irgendjemand hat einmal geschrieben, die Hölle ist die Abwesenheit von Vernunft. Na dann ist ein Tag mit dem Roten Kanal wohl tatsächlich am ehesten mit einem Tag in der Hölle zu vergleichen.

Schon im Mittagsjournal geht es los. Die gerade anstehenden Stellenbesetzungen bei der Nationalbank erregen bereits seit Tagen die roten Gemüter. Schließlich werden jetzt zwei Türkise und zwei Blaue die rot-großkoalitionären Genossen in der OeNB ersetzen, was natürlich ein Affront ist. Man faselt zwar an der Oberfläche, dass es immer so sei, dass Oppositionsparteien solche Stellenbesetzungen als "Postenschacher" kritisieren, dann aber auch nicht anders agieren, wenn man selber an der Macht ist, präsentiert es dann aber unterschwellig so, dass doch jeder in erster Linie an die böse FPÖ denken muss. Logisch, weil wenn die Genossen Posten an ihre Kostgänger vergeben, dann ist das ja kein Postenschacher, sondern nur die (frühere) Normalität.

Vom Mittags- bis zum Abendjournal darf auch die Opposition, vor allem die SPÖ, die neuen Nationalbank-Chefitäten kritisieren. Man ortet mangelnde Kompetenz  bei den blauen und türkisen Kandidaten. Klar, der zum Beispiel von der FPÖ nominierte neue Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann war ja früher auch nur Direktor der Weltbank - der hat natürlich keine Ahnung von Tuten und Blasen. Leider hat die FPÖ keine Kapazunder wie den scheidenden Gouverneur Ewald Nowotny auf Lager, der vor seiner Berufung kurz Direktor der BAWAG und recht lange SPÖ-Abgeordneter war. BAWAG und SPÖ, diese Kombi ist eben in Sachen Finanzkompetenz klar über der Weltbank anzusiedeln. Darum wirtschaften die Sozis ja auch überall so gut. Oder so.

Überhaupt fällt bei längerem Ö1-Hören erst so richtig auf, wie oft die Opposition im Roten Kanal zu Wort kommt. Zur OeNB, zu den geplanten Herbstferien, zum Brexit (Claudia Gamon von den NEOS fordert die Vereinigten Staaten von Europa), zum wieder einmal gescheiterten Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl - ja zu allem gibt die Opposition ihren Senf dazu. Gerade einmal beim Wetter gibt es keine linken Stimmen. War das eigentlich auch schon immer so? Wurden FPÖ und Team Stronach auch zu wirklich jedem Thema des Tages ausführlich befragt, als sie noch die Opposition bildeten? Irgendwie war das damals doch noch anders, oder täuscht das?

Der Höhepunkt folgte aber nach dem Abendjournal bei "Klartext". Da waren Kanzleramts- und Medienminister Blümel (in seiner Funktion als Wiener ÖVP-Chef) und der Wiener SPÖ-Sozialstadtrat Hacker zu Gast bei Klaus Webhofer. Nichts für schwache Nerven! Ist Blümel schon oft schwer verdaulich, so ist Hacker gänzlich ungenießbar. Ein klassischer Aversions-Aversions-Konflikt beim Zuhören. Für Gastgeber Webhofer war hingegen von Anfang an klar, wo seine Sympathien liegen. Er moderierte quasi aus Sicht des rot-grünen Wien, das von der bösen Bundesregierung hundsgemein angepatzt wird.

Häuptling Hacker von den Rothäuten hatte nicht nur gefühlt deutlich mehr Redezeit, er wurde auch kaum unterbrochen. Und die Fragen an ihn waren eher Elfer-Vorlagen denn kritische Analyseversuche. Blümel musste sich hingegen mit Fragen herumschlagen wie: "Aber in Wien läuft doch nicht alles schlecht. Was läuft denn alles gut in Wien?"

Toll, die Hauptaufgabe einer Oppositionspartei (und das ist die ÖVP in Wien) ist es ja eindeutig, die Arbeit der jeweiligen Regierung zu loben. Das kann man auf Bundesebene quasi jeden Tag beobachten. Da fragt der ORF Joy-Pam und Peter Pilz auch ständig nur, was die Regierung nicht schon wieder alles super hingekriegt hat. Und der tosende oppositionelle Beifall wird dann vom Staatsfunk landesweit auf allen Kanälen übertragen. Beate Meinl-Reisinger schreit "Zugabe!" in Richtung Innenminister und - ach so, nein, da ist jetzt irgendwas durcheinandergekommen.

Blümel wurde als Wiener Oppositionspolitiker jedenfalls gleich zweimal gefragt, was Rot-Grün in Wien nicht alles spitze machen würde. Das ist die Fragestellung eines durch und durch neutralen Moderators, der Dinge kritisch hinterfragt und durchleuchtet. Webhofer war sogar so parteiisch, dass es selbst der spröde Blümel schaffte, einen echten Brüller auszupacken. "Sie könnten ja gleich für die SPÖ kandidieren", konterte er auf eine weitere blöde Bemerkung des Rotkanalisten, der sichtlich perplex war. "Warum sagt er das gerade mir?", wird er sich gedacht haben. Verständlich, wo doch eigentlich fast jeder Ö1-Redakteuer locker für die SPÖ kandidieren könnte ...