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Kurt Ceipek (Personal: Mo, 16.09.2019, 23:22)
Blick hinter die ORF-Kulissen

Folgende Diskussion könnte sich dieser Tage bei einer Besprechung im News-Room des ORF-Fernsehens abgespielt haben.

Der Chef: Was müssen wir heute in der ZiB1 bringen?

Ein besonders eifriger, junger, aber etwas unerfahrener Mitarbeiter: Also die Geschichte mit dem Bestechungsskandal in der Wiener Magistratsabteilung 21 finde ich spannend. Da soll einer der engsten Mitarbeiter der grünen Vizebürgermeisterin Vassilakou ...

Der Chef: Junger Freund, Sie müssen noch viel über die Wertigkeit von Nachrichten lernen. Solche lokalen und nebensächlichen Geschichten bringen wir in der ZiB1 nur, wenn es gar nicht zu vermeiden ist.

Der besonders eifrige, junge, aber etwas unerfahrener Mitarbeiter: Das würde viele Zeit-im-Bild-Zuseher aber sicher intere ...

Ein Redakteur (fällt ihm ins Wort): Gottseidank ham die Perser oder sonstwer ein paar saudische Ölquellen bombardiert und der Trump droht schon. Das muss Spitzenmeldung werden.

Der Chef: Selbstverständlich. Das können wir dann ordentlich aufblasen. Die Hannelore Veit soll aus Washington in würdevollen Worten erläutern, was der Trump mit seinen Drohungen gemeint haben könnte.

Ein anderer Redakteur: Ja genau. Und außerdem müssen wir Alarm schlagen, dass die Treibstoffpreise steigen werden

Der Chef: Dass die Benzinpreise „steigen werden“, ist zu wenig. Da muss die Schlagzeile mindestens lauten, dass „die Preise explodieren“. Aber das reicht nicht für die ganze Sendung. Was haben wir noch, damit wir diese blöde Geschichte von den Wiener Grünen nicht bringen müssen?

Ein Redakteur: Wir haben da eine Serie mit einem Wahlkampftagebuch. Da könnten wir eine Geschichte anhängen die wir in einem hinteren Tiroler Tal aufgenommen haben. In Hinterhornbach gibt's praktisch niemanden, der nicht die ÖVP wählt. Wenn wir das bringen, kann sich bei den Türkis-Schwarzen niemand aufpudeln, wenn wir diese ohnehin nur lokal interessante Grünen-Geschichte mit dem Bestechungsverdacht in Wien nicht bringen.

Ein anderer Redakteur: Aber zumindest in den Kurzmeldungen müssten wir diesen Fall von grüner Bestechlichkeit erwähnen. Immerhin werben die Grünen im Wahlkampf, dass es bei den Grünen nur die pure Ehrlichkeit gibt. Außerdem hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft schon bestätigt, dass da ermittelt wird.

Der Chef: Staatsanwaltschaft ist ein guter Hinweis. Wir könnten in den Kurznachrichten melden, dass die Wiener Staatsanwaltschaft wegen der angeblichen Hackergeschichte in der ÖVP jetzt auch im Ausland ermittelt. Dazu muss deutlich erwähnt werden, dass die Ermittler nicht bestätigt haben, dass die Türkis-Schwarzen die ganze Hackerei nicht selbst inszeniert haben. Und so ersparen wir uns die Meldung mit den Wiener Grünen, weil zweimal Staatsanwaltschaft in den Kurznachrichten ist zuviel.

Der Chef in einem Nebensatz zu seinem links von ihm sitzenden Assistenten: Wir sollten einen neuen Namen für die Kurznachrichten erarbeiten lassen. Sonst könnten uns das unsere Freunde in der Löwingerstraße das als versteckte Wahlwerbung vorwerfen. Organisier eine Arbeitsgruppe die sich mit diesem Problem befassen soll. Da müssen wir auch externe Berater beiziehen. Ich geb dir dann eine Liste mit Namen.

Ein Redakteur: Wir sagen eh nicht mehr Kurz-Nachrichten. Es heißt jetzt „Meldungen“.

Der Chef: Gut, also zurück zum Sendungsablauf. Das ist alles noch nicht ZiB1-füllend. Was haben wir noch?

Ein weiterer Redakteur, der für das Ausland zuständig ist: Wir haben dann noch den Dauerbrenner Brexit mit Johnson bei der EU in Brüssel und ein Treffen von Putin und Erdogan. Da ist zwar in beiden Fällen nix Brauchbares herausgekommen, aber es füllt die Sendezeit.

Ein weiterer Redakteur, der sich für die Kultur zuständig fühlt: Zum Schluss haben wir dann noch einen ausführlichen Beitrag über Downton Abbey.

Der Chef: Was soll das sein?

Der Redakteur, der sich für die Kultur zuständig fühlt: Das ist ein Film über den Besuch einer englischen Königin bei irgendeiner adeligen englischen Familie. Das war der Kulturredaktion für Kultur am Montag zu fad.

Der Chef: Also, damit haben wir wieder eine äußerst interessante Zeit im Bild zusammengestellt. An die Arbeit!

Der Chef halblaut zu seinem Assistenten: Ruf bei denen von Wien heute an und sag, es wird nicht zu verhindern sein, dass die einen kurzen Beitrag über diese Wiener Grünen-Geschichte bringen. Aber die sollen die Grün-Chefin Hohlbein oder wie die heißt, in die Kamera sagen lassen, dass gegen irgend jemand anderen, aber nicht gegen die Grünen ermittelt wird. Bis nach der Nationalratswahl müssen wir die Geschichte ganz klein halten.

Zuletzt nimmt der Chef noch den besonders eifrigen, jungen, aber etwas unerfahrenen Mitarbeiter beiseite: Junger Mann, Sie fallen mir als sehr begabt und pflichtbewusst auf, haben aber noch einiges zu lernen. Sie sollten in den nächsten Wochen oder Monaten bei FM4 ein Praktikum absolvieren. Dort können Sie lernen, dass es beim ORF als staatstragendem Sender nicht darauf ankommt, was die Hörer und Seher gerne sehen und hören möchten oder interessiert, sondern dass wir das bringen, was wirklich wichtig ist. Und dass es ebenso wichtig ist, manches nicht oder gut versteckt zu bringen. Aber das werden Sie bei FM4 eh schnell lernen ...