ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Rubriken

Archiv

Simon Kräuter (Ideologie: Mo, 04.11.2019, 10:49)
Der ORF und die DDR

"Unerwarteter Nahschuss" als Strafe für "Boykotthetze". Köpfen als Strafe für "Spionage". Verbot von Meinungsfreiheit. Todesschüsse, Kampfhunde und Tretminen gegen "Republikflüchtlinge". Menschen, die sich im staatlichen Auftrag gegenseitig bespitzeln. Totale staatliche Kontrolle des Individuums, härteste Strafen für abweichlerisches Verhalten.

Wovon ist die Rede? Richtig, von der Deutschen Demokratischen Republik, der DDR. Hunderttausende lagen sich vor genau 30 Jahren weinend in den Armen, als die Mauer fiel und mit ihm das sozialistische Terrorregime. Und 30 Jahre Mauerfall sind natürlich auch für den ORF ein Thema. Jedoch wird hier nicht der Sturz der Diktatur begangen, sondern dem Regime nachgetrauert.

Lästig, wenn man als ORF-Redakteur zwar Herr über öffentlich-rechtliches Mikro und Tastatur ist, jedoch gefesselt durch das lästige Neutralitätsgebot des ORF-Gesetzes seiner Huldigung für den Unrechtsstaat nicht freien Lauf lassen kann. Wie also der DDR dennoch ihre gebührende Ehre zukommen lassen? Richtig, indem man die Personen, die man zu Wort kommen lässt, nach deren Einstellung vorselektiert.

So kündigt Ö1 ein "Radiokolleg" an, indem Renata Schmidtkunz "von der Vielfalt des Einheitsstaats" berichtet, und keine Hemmungen hat, "sich ihr zu nähern". Sie läßt "Opa Manfred" den Verbrecherstaat loben: "In der DDR bekam ich alle Chancen der Welt". Naja Frau Schmidtkunz, vielleicht sollte man der journalistischen Vollständigkeit halber erwähnen, dass Opa Manfreds "Welt" etwa von Bautzen bis Schwerin reichte, und hätte er seine Nase auch nur einen Millimeter darüberhinaus gestreckt, wäre er mit einer Kugel im Kopf oder als von einer Tretmine zerfetzer Fleischhaufen in ein Erdloch verscharrt worden, und seinen Angehörigen hätte man nicht mal gesagt, wo sie die Überreste von Opa Manfred vorfinden würden.

Trotzdem weiß Manfred: "Man kann Menschen nicht zum Sozialismus zwingen". An dieser Stelle, Frau Schmidtkunz, würde sich ein kurzes Erwähnen der zahlreichen und kreativen Methoden anbieten, mit denen dieser Zwang zum Sozialismus von der DDR-Elite eben doch versucht wurde.

Dann wird kurz Ex-DDR-Bürgerin Annette Simon zitiert : "Es gab Funktionäre, die aus Überzeugung handelten, solche, die zweifelten, und solche, die Karrieristen waren." Und Schmidtkunz (ORF) beeilt sich, die DDR sogleich in Schutz zu nehmen: "Wie überall auf der Welt, möchte man ergänzen." Man? Wer genau, Frau Schmidtkunz, möchte das so relativierend ergänzen?

Menschen wurden ermordet, gefoltert, eingesperrt; Familien zerrissen oder unterwandert, persönliche Freiheiten unterdrückt. Opfer leben noch heute, Angehörige spüren noch den Schmerz. Aber alles egal: Der ORF schreibt die Geschichte neu, verniedlicht, verharmlost, relativiert und konstruiert eine Generation nach dem Mauerfall ein neues DDR-Bild.

Was bei dieser öffentlich-rechtlichen Relativierung von Verbrechen historischen Ausmaßes am meisten auffällt, ist wie wenig diese eben auffällt.

Anmerkung: Der ORF feierte den 1. Mai 2019 ("Tag der Arbeit"), indem er um 8.40 Uhr die Hymne der Deutschen Demokratischen Republik spielte.