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Werner Reichel (Formate: Fr, 07.08.2020, 10:52)
Ein Blick in die Abgründe der österreichischen Seele

Schon im Vorfeld hat die neue Staffel für riesigen Medienrummel gesorgt. Dass der ORF „Liebesg'schichten und Heiratssachen“ nach dem Tod von Elizabeth T. Spira weiterführt, werten die Medien als kleine Sensation. Die neue Single-Befragerin Nina Horowitz wurde von ihnen sofort zum neuen ORF-Star gekürt und auf und ab interviewt. Dabei ging es immer um dieselbe Frage: Ob es nicht schwierig und eine große Verantwortung sei, diese Sendung von der großen Spira …

In linken Kreisen galt die Dame – warum auch immer – als genial und als „Chronistin der österreichischen Seele“, wie der Standard schreibt. Was nicht ganz richtig ist. Spira führte Menschen vor, die so sein sollten, wie sich das linke, urbane Kleinbildungsbürgertum die österreichische Seele vorstellt, um sich durch die Abwertung des angeblich typischen Österreichers selbst moralisch und intellektuell erhöhen zu können. Das hat in unseren Breiten eine lange Tradition. Viele Kabarettisten, Medienmenschen und Künstler leben ausschließlich davon, dieses Bedürfnis einer relativ großen Bevölkerungsschicht zu befriedigen. Frau Spira hat das – offenbar – besonders gut gekonnt.

Wer lange genug nach Sonderlingen, Freaks, Derangierten, Käuzen und anderen verlorenen Seelen sucht, findet sie auch. Diese Menschen repräsentieren aber nicht die österreichische Seele. Sie sind also nicht repräsentativ, sondern nur die Projektionsfläche eines von Abstiegsängsten geplagten Milieus, das für seinen Selbstwert und seine Stellung innerhalb der Gesellschaft andere Menschen braucht, auf die es herabschauen kann.

Die von Spira bzw. Horowitz präsentierten „typischen Österreicher“ haben für dieses Milieu in etwa dieselbe Funktion, wie „der Ausländer“ nach Ansicht ebendieser Schicht für den „typischen“ Österreicher“ hat.

Deshalb sind es vor allem linke Blätter, die sich gemeinsam mit ihren Lesern besonders über die Fortsetzung dieser Sozial-Porno-Show gefreut haben. Dass der ORF sie weiterführt, war aber ohnehin klar. Sie gehört zu den wenigen Eigen-Formaten, mit denen der Linksfunk noch Quote macht. Rund eine Million Österreicher sehen sich diese öffentlich-rechtliche Peep-Show Woche für Woche im quotenarmen Hochsommer an.

In der gesamten Sendung schwingt stets die Verachtung für die abgefilmten Quotenbringer mit. Von den Fragen, der Bildsprache bis zur Inszenierung. Deshalb ist es auch wenig glaubwürdig, wenn die Sendungsmacher betonen: „Unser Blick ist immer wertschätzend und liebevoll. Es geht ja tatsächlich darum, die Menschen in ihrer Einsamkeit zu sehen und ihnen zu helfen, diese zu durchbrechen."

Wäre dem so, warum nutzt man dann die fehlende Medienkompetenz dieser zumeist älteren Herrschaften aus und lässt sie wie dressierte Zirkustiere durch Reifen springen? Da tanzte etwa in der vergangenen Sendung ein älterer, einsamer Herr in seinem Kabinett alleine und in verschiedenen Faschingskostümen vor der Kamera herum. Das nennt der ORF wertschätzend!

Auch eine Nachfrage von Frau Horowitz warf ein Schlaglicht auf das Bild, das sie von ihren Opfern hat. Sie fragte eine ältere Dame, welche Musik sie gerne höre. „Captain Cook“, war die Antwort. Und Horowitz fragt nach: „Clown Habakuk?“

Welche Meinung muss man von einem erwachsenen Menschen haben, um zu glauben, er höre am liebsten Musik von einem gammeligen Fernsehclown? Wäre ihr jemand gegenübergesessen, den sie halbwegs ernst nehmen oder respektieren würde, hätte sie niemals so dämlich nachgefragt.

Hauptsache, die Quote passt. Vereinsamte und vermutlich etwas verzweifelte Menschen, die dem ORF vertrauen und über das Fernsehen einen Partner suchen, landen in einer unendlichen Fernseh-Dauerschleife. Ihre archivierten TV-Auftritte werden immer und immer wieder zum Gaudium und zur Verbesserung des Selbstwertgefühls linker Gutmenschen ausgestrahlt.

Derzeit läuft auf ORF 3 die x-te Wiederholung der zum Teil über 30 Jahre alten Alltagsgeschichten, wo man angeblich die österreichische Seele bestaunen kann. In Wahrheit verrät diese Sendung mehr über deren Fans als über die abgefilmten ORF-Opfer.