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Werner Reichel (Ideologie: Do, 22.10.2020, 12:14)
Im ORF gibt es keine roten Skandale

Sie steht nicht im ORF-Gesetz, wird aber wie keine andere Regel von den Redakteuren befolgt: Es gibt keine roten und grünen Skandale. Egal was Vertreter dieser Parteien anstellen.

Was auf Seiten von FPÖ und ÖVP vom ORF breitgetreten und skandalisiert wird, geht bei SPÖ und Grünen entweder als Kavaliersdelikt durch oder wird sogar als politischer Erfolg verkauft. Etwa das um schlappe 500 Millionen überteuerte rote Esoterik-Spital KH-Nord. Oder, dass die Grünen gerade ihre gesamte Sippschaft mit staatlichen und staatsnahen Posten und Aufträgen versorgen. Das ist kein Skandal, sondern gut für unser Land.

Heute findet sich auf wien.orf.at ein Artikel mit der sperrig-unspektakulären Schlagzeile: „EuGH: Wien verstieß bei ‚Gate 2‘ gegen EU-Recht“

Nicht gerade eine Headline, die zum Weiterlesen einlädt. Soll sie auch nicht, obwohl man in dem Artikel ohnehin kaum etwas erfährt und danach mehr Fragen als Antworten hat. „Wiener Wohnen habe 2012 einen Vertrag zum Bürogebäude ‚Gate 2‘ ohne Bekanntmachung und ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben, so die Kritik.“ Mehr erfährt man vom ORF nicht. Nur so viel: Hauptgegenstand des 2012 von Vectigal Immobilien und ‚Wiener Wohnen‘ unterzeichneten Vertrags sei der Bau des Gebäudes ‚Gate 2‘ gewesen (…).“

Wenn die Stadt Wien, also die SPÖ, einen Großauftrag ohne Ausschreibung vergibt, dann ist das dem ORF gerade einmal eine Kurzmeldung ohne brauchbare Hintergrundinfos wert. Man stelle sich vor, die FPÖ hätte das getan: Der ORF hätte für die nächsten Wochen einen Aufhänger (wie etwa bei Sidlo), könnte Talk-Formate, Magazinsendungen, Radio-Journale und Reportage-Formate damit befüllen. Bei den Roten reicht es für eine inhaltsleere Kurzmeldung, in der die SPÖ nur am Rande und da in einem positiven Kontext erwähnt wird: „Vom damaligen Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) hieß es damals: ‚Damit wird die Stadt Wien erneut ihrer Vorreiterrolle im Bereich des nachhaltigen und energieeffizienten Bauens gerecht.‘“ Und aus.

Neugierig geworden, suche ich im Internet nach jenen Informationen, die mir der ORF – wohl aus gutem Grund – vorenthält. Ich stoße dabei auf einen Artikel im Standard aus dem Jahr 2013: „Fakt ist, dass dieser Umzug nicht nur alte, leerstehende Amtsgebäude hinterlässt, er bedeutet auch, dass die Mieten der Wiener Finanzämter künftig nicht mehr an die öffentliche Hand in Gestalt der Bundesimmobiliengesellschaft, sondern an einen privaten Investor fließen – dem Vernehmen nach in der Höhe von rund 500.000 Euro netto pro Monat. Nach 20-jährigem Vorlauf ist Wien Mitte somit schon zum Zeitpunkt seiner Eröffnung als voller Erfolg anzusehen – zumindest für den Betreiber. (…) Ungeachtet dessen wird das Wohnservice Ende nächsten Jahres seine Adresse abermals wechseln. Der Bauträger von ‚Gate 2‘ ist übrigens derselbe wie jener von Wien Mitte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“

Ein Schelm … Aber wie gesagt. Diese ORF-Regel wird immer eingehalten.