Udo Jürgens ist dieser Tage 80 geworden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ORF, ZDF und SRF feiern den großen Entertainer mit einer aufwändigen Samstagabendshow. So wie anno dazumal.
Zwischen den Gesangseinlagen lässt man die Karriere von Udo Jürgens in dokumentarischen Rückblicken Revue passieren. Jürgens war viel mehr als nur ein Schlagersänger, er hat stets „Unterhaltung mit Haltung“ geboten, wird an diesem Galaabend gleich mehrmals angemerkt. Zum Beweis zeigt man, wie er seinerzeit mit Liedern wie „Lieb Vaterland“ oder „Ein ehrenwerten Haus“ im Deutschland der 70er Jahre für Aufregung gesorgt hat. Der Moderator des Abends, Johannes B. Kerner, betont, Jürgens habe immer eine Meinung gehabt, auch wenn er damit bisweilen angeeckt ist. Er fragt den Jubilar kumpelhaft, ob er es denn – „mal ganz ehrlich“ – bereue, immer aufgestanden zu sein und seine Meinung gesagt zu haben. Kerner erwartet offensichtlich eine Antwort, die er und seinesgleichen auf eine solche Frage geben würden, von wegen Courage, Mut, Verantwortung für die Gesellschaft und die Welt ….
Man kennt diese eitle Selbstinszenierung. Doch Jürgens denkt nicht daran, seine „heldenhafte“ Vergangenheit zu beschwören, wie das 68er gerne und oft tun. Im Gegenteil. Er hat offenbar ein ganz wichtiges Anliegen. Er platzt regelrecht damit heraus, dass es, angesichts islamistischer Gräueltaten, heute sehr viel wichtiger als noch vor 10 oder 20 Jahren sei, seine Meinung zu sagen und zu vertreten.
Man merkt wie wichtig Jürgens dieses Thema ist und man spürt auch, wie sich der eben noch locker-flockige Kerner innerlich verkrampft und fleht, dass Jürgens jetzt ja keine „islamophoben“ oder multikultikritischen Statements vor einem Millionenpublikum ablässt. So viel eigene Meinung und Haltung sind Kerner dann doch etwas unheimlich. Er weiß schließlich, von wem er als Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Anstalt abhängig ist.
Dem Publikum im Saal gefallen Jürgens Aussagen, es applaudiert heftig. Damit jetzt ja nichts passiert, wirft Kerner schnell ein, dass man darüber ja noch später ausführlicher sprechen könne (was natürlich nicht passiert) und lenkt das Gespräch wieder in eine Richtung, wo auch er und seine Anstalt wieder ganz mutig und kritisch sein dürfen. Kerner präsentiert die Neufassung des Hits „Ein ehrenwertes Haus“. Darin geht es nicht wie damals in den 70-er Jahren um eine „wilde“ Ehe, sondern um ein Schwulenpaar und um die spießige Gesellschaft. Gäääähn!
Jedenfalls ist alles noch einmal gut gegangen. Kerner hat die Fernsehparty und den Samstagabend gerettet, von der „Unterhaltung mit Haltung“, die er gleich mehrmals angesprochen hat, ist freilich nichts mehr zu spüren. Das hat sich Udo Jürgens nicht verdient.