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Kurt Ceipek (oe1 Do, 10.03.2016, 18:00)
Abendjournal

Wenn Chefredakteure ausrücken müssen, um sich vom eigenen Medium interviewen zu lassen, herrscht üblicherweise akuter Argumentationsnotstand. Das war bei ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher zuletzt wiederholt der Fall. Vor wenigen Tagen hatte er in einem Interview stolz darauf verwiesen, wie mutig und vorbildlich der ORF die Berichterstattung von der Silvesternacht in Köln bewältigt habe. Nun musste Dittlbacher schon wieder wortreich beschwichtigen.

Nachdem der ORF angekündigt hatte, die sonntägliche Abend-Diskussionssendung „Im Zentrum“ für eine Solo-Show von Bundeskanzler Werner Faymann zur Verfügung zu stellen, prasselte Kritik von vielen Seiten auf den ORF nieder. Sogar dem meist ruhigen Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner platzte der Kragen und er kreierte in der ZiB2-Sendung am Mittwoch für die Einladung an Faymann den bösen, aber treffenden Begriff „Bestellfernsehen“.

Also trat Dittlbacher für das Hörfunk-Abendjournal an das Interviewer-Mikrophon und wies jegliche Kritik entrüstet zurück. „Die Einladungen werden grundsätzlich – und zwar ausschließlich – von den Redakteuren des ORF und von den Redaktionen gemacht und von sonst niemandem“, sagte er wörtlich.

Wie viele der Zuhörer ihm das uneingeschränkt geglaubt haben, lässt sich erahnen.

An dieser Stelle ist für den geneigten ORF-Watch-Leser der Hinweis nützlich, dass Dittlbacher in jungen Jahren zuerst bei der mittlerweile längst verblichenen oberösterreichischen SP-Parteizeitung Linzer Tagblatt angeheuert hatte, um in der Folge zum Zentralorgan der SPÖ, der Arbeiterzeitung, zu wechseln, wo er als braver Parteisoldat zügig Karriere machte. Nachdem auch die Arbeiterzeitung eingegangen war wurde er flugs vom ORF engagiert – als Belohnung sozusagen.

Es ist nicht anzunehmen, dass er seine sozialdemokratische Gesinnung bei seinem Eintritt in den ORF beim Portier abgegeben hat. Dass er weiterhin einen sehr guten Draht zur SP-Parteizentrale und in das Vorzimmer des Bundeskanzlers hat, liegt auf der Hand. Dazu kommt, dass die überwältigende Mehrheit der ORF-Redakteure wackere Gesinnungsgenossen des Chefredakteurs sind. So hat man sehr wahrscheinlich bereitwillig gemeinschaftlich beschlossen, den Kanzlerauftritt zu ermöglichen.

Als gelernter Österreicher weiß man, dass eine zarte Andeutung aus dem Umfeld des Kanzlers völlig ausreicht, eine solche Einladung auszusprechen. Und dass es auffallend ist, wenn eine Diskussionssendung mit mehreren Teilnehmern wie „Im Zentrum“ plötzlich zur Solo-Show für Werner Faymann umfunktioniert wird, muss einfach einen schalen Beigeschmack hinterlassen. Da nützen alle Beteuerungen nichts, dass die Einladungen „nach streng journalistischen Kriterien“ von den Redakteuren ausgeklügelt werden.

Man darf jedenfalls gespannt sein, ob Kanzler Faymann „Im Zentrum“ nachdrücklich zu all den Themen befragt wird, von denen die Mehrheit der Österreicher derzeit besonders bewegt wird. Sollte man dem Bundeskanzler mit schlau formulierten Fragen lediglich eine Plattform bauen, sich als Retter Österreichs und auch gleich der EU zu profilieren, werden der TV-Chefredakteur und seine ORF-Genossen wieder erheblichen Argumentationsbedarf haben.