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Kurt Ceipek (oe1 Mi, 28.12.2016, 07:00)
Morgenjournal (I)

Die Entwicklung der Kriminalität ist für die Österreicher höchst interessant und für den ORF ein besonders heikles Thema. Seit Jahren erklärt man den Hörern und Sehern der ORF-Programme, dass ohnehin alles bestens sei. Die Zahl angezeigter Verbrechen sei meist gesunken und nur in Einzelbereichen gebe es einen leichten Anstieg. Gegenteilige Meinungen seien daher nur Einbildung.

Eine solche Entwicklung konnte man bei der Kriminalitätsstatistik für das zu Ende gehende Jahr 2016 beim besten Willen nicht mehr vorgaukeln, denn bei den Gewaltdelikten gab es den – von den Österreichern ohnehin erahnten – starken Anstieg.

Die Frage in den ORF-Redaktionen war ganz offensichtlich: wie präsentieren wir eine so beunruhigende Statistik?

Das Ergebnis konnte man in den Morgenjournalen 1 und 2 hören, wo der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, zur heuer sprunghaft angewachsenen Kriminalität Antworten gab. Das Thema Internet-Kriminalität wurde breit ausgewalzt, die Gewaltkriminialität nur gestreift.

Begründet wurde das indirekt damit, dass die Zahl der Fälle von Internet-Kriminialität heuer um rund 20 Prozent zugenommen hat, während es bei den Gewaltdelikten „nur“ etwa zehn Prozent waren. Na gut, mag der neutrale Zuhörer denken, da war im einen Fall der Zuwachs eben doppelt so hoch, also kann man es schon voranstellen.

Diesen Eindruck wollte man ganz gezielt erwecken, denn absolute Zahlen wurden nicht genannt.

In absoluten Zahlen sieht das anders aus als in der vernebelten ORF-Darstellung. Rund 40.000 Fälle von Gewaltverbrechen hatte es 2015 gegeben, etwa 4.000 mehr werden es heuer sein. Da geht es um Morde, vorsätzliche Körperverletzungen und ähnliche schwere Gewalttaten.

Die 20 Prozent Zuwachs bei der naturgemäß eher jungen Cyber-Kriminalität ergaben in Summe eine nur halb so hohe Zahl von etwa 2.000. Dazu kommt, dass in dieser Zahl auch vergleichsweise harmlose Delikte wie über das Internet bestellte und nicht bezahlte Waren enthalten sind.

Immerhin durfte Generaldirektor Kogler erwähnen, dass viele der Gewaltdelikte „von jungen Männern verübt werden, die aus Regionen kommen, wo Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ein durchaus eingeübtes Prozedere ist.“ Hier werde aber schon gegengesteuert, beschwichtigte Kogler. Ins Land kommende junge Männer würden auf dieses Thema angesprochen.

Dass das Thema dem ORF unangenehm ist konnte man daran erkennen, dass es nach den beiden Morgenjournalen wieder fast völlig verschwand. In keiner der ZiB-Sendungen von neun Uhr früh bis zur ZiB1 war ein Beitrag zur Kriminalitätsstatistik zu hören und zu sehen, für das Mittagsjournal und die diversen Nachrichtensendungen war es auch kein Thema. Lediglich im Teletext fand sich eine dürre Meldung mit dem Titel: „Internet-Kriminalität gestiegen“.

Auch für ORF.at war die Kriminalitätsstatistik nicht so interessant wie die bewegenden Themen „Asylunterkunft mit Steinen beworfen“ oder „Angebliche Bettelmönche wegen Betrugs verurteilt“.

Womit der ORF wieder ein Musterbeispiel lieferte, wie man ein Thema unter den Tisch fallen lassen kann, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, es ganz verschwiegen zu haben.

Der Link zur Sendung: <http://oe1.orf.at/player/20161228/454485>