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Andreas Unterberger (ORF2 Di, 29.08.2017, 08:30)
ZIB

Sie müssen wirklich die Hosen vor Angst gestrichen voll haben, dass ihre roten Paten das Kanzleramt und damit die Herrschaft über den ORF verlieren: Nicht anders kann man die Inszenierung des ORF-Fernsehens rund um das "Sommergespräch" mit Sebastian Kurz interpretieren (das Radio ist da übrigens viel korrekter - oder bisher noch nicht auf Linie gebracht). Diese Inszenierung zieht sich durch alle TV-Berichte über das Interview, in denen ständig die Aussagen des ÖVP-Chefs mit "vage" und ähnlich negativen Vokabeln bezeichnet werden wie "nichts Neues", "unkonkret", blieb die Details schuldig".

Nun, in der Tat: Das Interview hat keine Sensationen gebracht. Aber das war zu 99 Prozent Schuld des Interviewers. Und daher ist es eine schmutzige Chuzpe, wenn der Sender dieses Interviewers dem Interviewten dann vorwirft, nichts Genaueres gesagt zu haben.

  • Zum ersten hat Tarek Leitner einen so hohen Prozentsatz der Sendezeit für seine eigenen, komplizierte herummäandernden Fragen und Stänkereien konsumiert, wie wohl noch nie ein Journalist bei einem Fernsehinterview gebraucht hat.
  • Zum zweiten hat er Kurz ständig unterbrochen (so wie er es in Vorwoche auch bei H.C.Strache getan hat, während er davor die beiden Kleinparteien überaus freundlich behandelt hat).
  • Zum dritten hat er bei etlichen Themen mehr zur Verwirrung als zur Klärung beigetragen, etwa als er den - sagen wir: - Investor Haselsteiner den Neos zuordnet, obwohl Kurz eindeutig von einem Geldfluß Haselsteiners auch(!) zur SPÖ geredet hat.
  • Zum vierten hat der ORF-Mann einen Gutteil der Sendzeit mit völlig belanglosen Fragen aufgebraucht, wie jenen nach der Ablöse von Reinhold Mitterlehner, nach der angeblich gefährdeten Demokratie in Ungarn oder nach den Wahlkampfspenden der ÖVP (unter anderem mit der besonders schwachsinnigen Frage: "Wieviel Privatisierung verträgt die Demokratie?" - wohinter sich offensichtlich der linke Urwunsch nach einer weiteren Verstaatlichung der Demokratie verbirgt. Genau das bedeuten ja im übrigen jetzt schon die Zwangsgebühren für einen reinen Parteisender und die steuerfinanzierten Bestechungsinserate vor allem der Gemeinde Wien).
  • Zum fünften wäre es ja am Interviewer gelegen, genau die konkretisierenden Fragen zu stellen, statt Kurz jeweils nach ein paar Sätzen gleich wieder zu unterbrechen, um seinen Spickzettel abzuarbeiten. Erst wenn Kurz auf diese konkreten Fragen ausgewichen wäre, hätte der ORF das Recht, ihm nachher vorzuwerfen, "vage" zu sein. So aber ist Kurz lediglich der Frage ausgewichen, welche Koalition er nach der Wahl will - eine Frage, die natürlich kein einziger Chef einer Mittelgroßpartei beantwortet.
  • Und zum sechsten liest man schon seit Tagen in diversen Medien einzelne Elemente aus dem ÖVP-Wahlprogramm. Wenn einem schon selbst keine sinnvollen Fragen einfallen, hätte Leitner ja bei diesen einzelnen Punkten - auch durchaus kritisch - nachfragen können. Das wäre journalistisch gewesen, aber das hätte offensichtlich der schon länger vorbereiteten Campaigning-Inszenierung eines vagen Kurz widersprochen.

Hilft diese Inszenierung ORF und SPÖ? Wohl nicht. Sie ist zu durchschaubar. Dennoch bleibt in Hinblick auf Kurz eine Frage offen: Ist seine bürgerliche Höflichkeit und Gewohnheit, Fragen zu beantworten (soweit sie verständlich sind), bei Typen wie Leitner und bei Inszenierungen wie im ORF-Fernsehen angebracht? Wäre nicht seine selbstbewusstere Art richtiger, wie er sie bei mehreren Interviews mit dem Oberideologen Armin Wolf an den Tag gelegt hat?

PS: Auch die nachträgliche Abqualifizierung für Kurz ändert nichts am hohen Zuschauerinteresse. Über eine Million Menschen wollten den Wahlfavoriten direkt erleben. Bei Strolz waren es 550.000, bei der Grünen Felipe gar nur 511.000 und bei H.C.Strache immerhin 800.000. Auch der "Marktanteil" (also Vergleich mit zugleich gesehenen Konkurrenzsendern) war bei Kurz deutlich höher.