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Werner Beidl (ORF2 Mi, 20.09.2017, 22:00)
ZIB 2

Die Zeit im Bild 2 vom Mittwoch war ein Fest für Freunde des Befangenheits-Bingos. Das Spiel ist simpel: Jedes Mal, wenn die ORF-Redaktion die Wahrheit verbiegt oder Fakten falsch gewichtet, erhält der aufmerksame Zuseher einen Punkt. Am Mittwoch war der Pott wieder einmal gut gefüllt:

1) Der Bundespräsident und der Außenminister fahren zur UNO nach New York. Aber der Außenminister ist eigentlich unwichtig und wird nur mit einem Satz zitiert. Was der Bundespräsident macht, ist dagegen sehr spannend. Wem schüttelt er die Hand, welche Bedenken hat er, wie vertreibt er sich die Zeit? Da das Publikum nach dem Beitrag vermutlich noch nicht genug vom Bundespräsidenten gesehen hat, interviewen wir ihn sicherheitshalber noch ausführlich. Aber die journalistische Unabhängigkeit bleibt gewahrt: Der Bundespräsident muss beim Interview gegen das Licht schauen und wirkt so auch optisch wie eine übernachtige Schildkröte.

2) Damit zum aktuellsten Thema in der Innenpolitik, das dem ORF einen vierminütigen Beitrag wert ist. Die Nachricht besteht darin, dass der "Falter", eine Art sozialistische Spatzenpost, am Vortag Dokumente veröffentlicht hat, die FPÖ und Krone bereits vor einigen Wochen veröffentlicht hatten, die angeblich zeigen, das Sebastian Kurz ein Mensch ist, der sein Vorgehen plant. Das ist ein ausgewachsener Skandal! Und sogar Dossiers zu politischen Konkurrenten hat das Team Kurz abgeblich angelegt. Sapperlot! Die SPÖ würde das niemals tun, sie lässt lediglich diffamierende Anti-Kurz-Videos für den Hausgebrauch drehen.

3) Im Team Kurz bezweifelt man die Echtheit der Dokumente, aber keine Sorge - "wie Standard und Kurier am Abend berichten", hat man in der ÖVP mittlerweile zugegeben, dass Teile des Konvoluts echt seien. Standard und Kurier berufen sich zwar auch nur auf "ÖVP-Kreise", aber das braucht man ja nicht extra dazuzusagen.

4) Die eigentlich neuen "Leaks" des Tages – die der "Zeitung" "Österreich" zugespielten SPÖ-Dokumente, die angeblich ein vernichtendes Bild von Kandidat Kern zeichnen – werden nur in einem Nebensatz von Armin Wolf erwähnt, garniert mit einem unverfänglichen Witzchen.

5) Vorletzte Sitzung des Nationalrats vor der Wahl. "Zum Unmut vieler Abgeordneter bleiben zumindest anfangs die Regierungsplätze der ÖVP leer." Das muss natürlich eingangs groß herausgestrichen werden. Dass, wie im Beitrag ersichtlich, zu einem späteren Zeitpunkt die ÖVP-Bank zumindest spärlich besetzt, die SPÖ-Seite aber verwaist ist ... egal.

6) Der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden tritt nach seiner Verurteilung im Spekulationsskandal endlich zurück. Welcher Partei gehört Ex-Bürgermeister Schaden an? Irrelevant.

Sechs Punkte im Befangenheits-Bingo. Der Hauptgewinn wird übrigens am 16. Oktober vergeben!