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Andreas Unterberger (ORF2 So, 22.07.2018, 21:55)
Meine Josefstadt

Wirklich jammervoll, wie man eine an sich nette Idee total kaputt machen kann: billig, lieblos und voller Fehler. Eine ganze Stunde durfte man vier älteren Herrschaften beim Kramen in ihren Erinnerungen an ihren Heimatbezirk zuhören, woraus man nur eines lernen konnte: Wie unglaublich Erinnerung trügen kann; wie sehr im Alter alles durcheinandergebracht wird; und wie wurscht dem ORF Fakten und Richtigkeit sind ...

Eines erfuhr man aber mit Garantie in einer einstündigen Sendung über die Wiener Josefstadt nicht: Irgendetwas Interessantes, irgendetwas historisch Richtiges.

Schmerzverschärfend zu diesem inhaltlichen Blackout kam die peinliche Unlockerheit von gespielt lockeren Dialogen, wo Menschen so tun, als ob sie unbefangen plaudern und doch ständig nur an die Fernsehkamera denken. Oder die Stänkerei eines bis dato den meisten Zusehern völlig unbekannten Musikers über die Kirche.

Lange könnte man die Fehler aufzählen, die durchwegs als unkorrigiertes Faktum stehen blieben. Um nur einige zu nennen: Da wurde eine Apotheke, die das nicht einmal annähernd ist, zur "ältesten Apotheke Wiens" gemacht. Da wurde behauptet, in der Josefstadt habe es in der Kindheit der Herren zwei Kinos gegeben, obwohl es eindeutig drei waren. Da wurde jemand, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelebt hat, ein Jahrhundert älter gemacht. Da wurde das Wohnhaus des Altbundespräsidenten gleich um zwei Häuserblöcke verschoben. Da wurde behauptet, die Piaristen-Volksschule sei jetzt eine staatliche Schule. Und da wurde allen Ernstes behauptet, ein Vater wäre 1945 "im Flugzeug"(!!) von einer Geschäftsreise aus Skandinavien nach Wien zurückgekommen.

Aber nicht die Erinnerung der sich ansonsten vor allem in persönlichen Belanglosigkeiten familiärer Art verlierenden Herrschaften ist zu tadeln, sondern der ORF, der diese Krampf-Plaudereien einfach abgefilmt und unkorrigiert (bloß mit ein paar netten Bildern des Bezirks ergänzt) ins Programm gestellt hat. Wohl um zu behaupten, er wäre einem identitätsfördernden Bildungsauftrag nachgekommen. Jede Volksschullehrerin des Bezirks hätte besser und interessanter über diesen Bescheid gewusst. Ganz zu schweigen von den vielen gerade in der Josefstadt zahlreichen Historikern.

So ein Schmarrn eignet sich nicht einmal als Sommerlochfüller. Auch wenn man das offenbar den ganzen Sommer über vor hat. Auch wenn es eigentlich über 90 Bezirke in Österreich gibt, die nach dem Prinzip Josefstadt jetzt ebenfalls drankommen müssten. Und wo man zweifellos genauso irgendwelche älteren Herrschaften findet, die irgendwelche erratisch-unrichtige Erinnerungsbrösel von sich geben.