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Andreas Unterberger (ORF2 Mo, 24.09.2018, 22:00)
ZIB 2

Da stellt sich Christian Kern zum ersten Mal nach der fehlerreichsten Woche seiner Karriere einem Interview - und wird so schmeichelfaserweich gefragt, dass er es wohl selbst nicht fassen kann.

  • So wird Kern nicht weniger als drei Mal hintereinander gefragt, ob er jetzt "erleichtert" sei. Solche Befindlichkeitsfragen sind bekanntlich aufgelegte Elfmeter für jeden politischen Halbprofi, nett und substanzlos herumzuschwätzen.
  • So gibt er auf die Frage, ob er das EU-Mandat nach der Wahl auch annehmen werde, die mehr als erstaunliche, weil total ausweichende Antwort: "Das wird am Ende eines Prozesses stehen." Das riecht für jeden, der ein bisschen Erfahrung hat mit Politikerinterviews, ganz nach der nächsten Sensation. Nämlich dass Kern jetzt offenbar knapp davor steht, auch den EU-Job hinzuschmeißen. Für den ORF-Moderator riecht das jedoch nach gar nichts und er fragt daher nicht nach, was das heißen soll.
  • So ist geradezu abenteuerlich, was Kern auch sonst nicht gefragt worden ist, sodass er ungehindert und minutenlang gegen die politischen Gegner hetzen konnte. Er wurde nicht gefragt

- warum er die Partei durch die Verkündigung als Faktum(!) provoziert hat, er werde EU-Spitzenkandidat der SPÖ, obwohl noch kein einziges Parteigremium dazu getagt hatte, welches das beschließen hätte können;

- warum er zuerst ankündigt, dass er erst nach der EU-Wahl zurücktreten werde, und dann wenige Stunden später nach der ersten Parteisitzung, dass er gleich abgehen werde; 

- ob ihn da die brüskierten Parteigranden nicht ganz offensichtlich gezwungen haben, sich jetzt rasch  zu verabschieden;

- warum bisher keine einzige Schwesterpartei ihn als gesamteuropäischen Spitzenkandidat unterstützt hat, der er erklärtermaßen gerne geworden wäre;

- und ob das nicht kausal mit seiner katastrophalen Leistung während der letzten Tage zusammenhängen könnte ...

Aber im ORF ist der Reflex halt schon ein genetischer, dass nur Blau und Schwarz hart gefragt und auch unterbrochen werden, dass das mit Rot und Grün jedoch nie passieren darf.

Das merkte man dann am Ende der Sendung, wo die ÖVP-Neoabgeordnete und Rollstuhlfahrerin Kira Grünberg von zwei anderen - SPÖ-nahen - Rollstuhlfahrern massiv attackiert worden ist, ohne dass sie sich gegen alle Untergriffe in den getrennt geführten Interviews verteidigen konnte.