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Joachim Pfeifer (Online Sa, 06.10.2018, 00:29)
Buchbesprechung: Warum es kein islamisches Mittelalter gab
Link: https://religion.orf.at/stories/2937656/

Auf orf.at gibt es eine ausgiebige und völlig unkritische Buchbesprechung des Werks "Warum es kein islamisches Mittelalter gab: Das Erbe der Antike und der Orient" eines gewissen Thomas Bauer, eines Islamwissenschafters und Arabisten.

Zitat daraus:

"Ein „islamisches Mittelalter“ hat es nie gegeben: Das ist die These eines neuen Buchs des deutschen Islamwissenschaftlers und Arabisten Thomas Bauer. Ganz generell geht es Bauer in „Warum es kein islamisches Mittelalter gab“ um ein Überdenken überkommener Sichtweisen: Er findet schon den Begriff „Mittelalter“ problematisch, ist er doch unter Historikerinnen und Historikern selbst umstritten: Zu willkürlich sei er, weil innerhalb des für gewöhnlich angenommenen zeitlichen Rahmens, zwischen dem 5. und dem 15. Jahrhundert, bestünden einfach viel zu starke Brüche und Unterschiede. Es dürfte sich heute „schwerlich ein Historiker finden lassen, der tatsächlich glaubt, die Zeit von 500 bis 1500 stelle eine eigenständige, relativ einheitliche Epoche dar“, schreibt Bauer.

Das ist kompliziert genug - doch vor allem kritisiert der Autor die übliche Praxis, für Europa geltende und (eben auch nur mehr oder weniger gut) passende Periodisierungssysteme wie den Mittelalter-Begriff anderen Kulturen überzustülpen. Oder werde etwa auch von der „tangzeitlichen Karolingerzeit“ gesprochen? „Die Tang-Zeit (Ära der Tang-Kaiserdynastie, 618-907, Anm.), scheint es, ist aus China nicht hinausgekommen“, so Bauer ironisch - mit dem Mittelalter verhalte es sich laut landläufiger
Meinung hingegen ganz anders.

Denn gleichzeitig spreche man sehr wohl etwa von dem Kalifen Harun ar-Rasid (786–809), einem Zeitgenossen Karls des Großen, als „nahöstlichem Herrscher des Mittelalters“. Daher gelte es zu überprüfen, so Bauer, inwieweit es „genug Gemeinsamkeiten (gebe), um von einer einzigen Epoche Mittelalter zu sprechen, die sowohl Europa als auch Nordafrika, den Nahen Osten, Mittel- und Zentralasien vereint“. Dass in seinen Augen der „Begriff Mittelalter zutiefst eurozentrisch“ ist, schickt Bauer voraus."

(Zitatende)

So, so. Wir stülpen also total eurozentrisch der Welt den Mittelalterbegriff über. Und was macht der Autor? Dasselbe mit der Neuzeit. Er geht kühn davon aus, daß nun - simsalabim - die ganze Welt in der Neuzeit angelangt sei.

Dann kommt das übliche hohe Lied auf den Islam. Wie fortschrittlich er doch war, wie gebildet die Menschen im Vergleich zu uns tumben Europäern. Man habe so viele Weisheiten der Antike, auch der Griechen, übernommen bzw. weitergeführt. Und dann noch der Islam als Hort der Toleranz, nicht mal die in Europa üblichen Judenpogrome habe es dort gegeben. Überhaupt wäre die religiöse Toleranz großgeschrieben gewesen, u. a. waren die Christen rechtlich abgesichert und hätten über ein hohes Maß an Autonomie verfügt. Man war lieb zu Minderheiten, soziale Mobilität war ein bestimmender Faktor. Und so böse prägende christliche Ideen wie die Erbsünde oder die Hölle kennt der Islam so nicht. Kurz: paradiesische Zustände.

Kein Wort über die Unterdrückung der Frau, über die Steinzeitjustiz der Scharia.

Dabei kann man dem Autor in gewisser Weise sogar folgen. Wenn er im 11. Jahrhundert von einer grundlegenden Änderung der islamischen Lebensumstände spricht, vom offensichtlichen Beginn einer neuen Epoche, und das als eine Periode der ausklingenden Spätantike bezeichnet, so muß das nicht automatisch falsch sein. Allerdings ergibt sich daraus nicht, daß der Islam den Sprung von der ausklingenden Spätantike in die Neuzeit vollzogen hätte. Und wenn man auch kein islamisches Mittelalter sehen kann und will, dann ergibt sich durchaus logisch,und in unserer wilden Gegenwart allerorten empirisch belegbar, daß diese Spätantike des Islam heute noch immer ausklingt. Der Islam mag kein Mittelalter kennen (und das Nichterleben einer Renaissance und einer Aufklärung spricht sehr dafür), aber die Neuzeit kennt er ganz sicher nicht. Auch wenn Leute wie Bauer ihm diese Neuzeit überstülpen möchten.

Tatsächlich war in der Hochblüte unseres Mittelalters im arabischen Raum eine Art Hochkultur zu beobachten. Da profitierte der Raum eben von der Erbschaft der Antike, von den Errungenschaften Persiens, vom Nachbarn Indien (vor allem in der Mathematik). Erstaunlich viele Sterne tragen arabische Namen, was für ein großes Wissen im Bereich der Astronomie spricht.

Aber das war es dann auch. Der Rest bis heute ist ein einziger wissenschaftlicher Stillstand und Niedergang. Eben weil dem Islam so etwas wie unser ausklingendes Mittelalter und die aufbrechende Neuzeit fehlt. Vor kurzem hörte ich im Rahmen einer Fernsehdiskussion folgenden Vergleich. Im Laufe von 10 Jahren (keine Ahnung, ob das nun von 2002 bis 2012 war oder so) hätte es demnach in der gesamten islamischen Welt 384 Patentanmeldungen gegeben. Im Israel im selben Zeitraum 6.500, und in Südkorea 16.000!

Fazit: das übliche "Ist der Islam nicht supertoll und niedlich und was könnten wir uns nicht alles von ihm abschauen"-Geschwurbel. Unerträglich, dieser Verein!