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Andreas Lindner (ORF1 Fr, 04.01.2019, 20:15)
Kabarettgipfel

Im letzten ORF "Kabarettgipfel" tritt unter anderem Viktor Gernot auf. Dass österreichische Kabarettisten eine linke Schlagseite haben, ist Allgemeinwissen. Daneben kommen aber im ORF "Außenseiter" wie ein Alf Poier, der sich seinerzeit unter anderem über die künsterlische Qualität eines 'Conchita Wurst' kritisch geäußert hat, praktisch nicht mehr vor. Ein Dieter Nuhr - in Deutschland seit vielen Jahren äußerst erfolgreich - hätte im Österreichischen Staatsfernsehen keine Chance. Einfach zu ausgewogen in seinem Humor, einfach zu viel Schmäh und Kritik an linken Blödsinnigkeiten und moralischer Dauerkeule und auch sicher zu viel Kritik an islamistischen Tendenzen.

Ich persönlich nehme das locker, wenn das Programm des jeweiligen Künstlers dennoch unterhaltsam und lustig ist, gerne auch zum Nachdenken anregt. Thomas Stipsits, Lukas Resetarits und Andreas Vitásek sind schöne Beispiele für mich.

Kommt die politische Schlagseite aber primär oder zu stark zum Vorschein, hat es mit kritischem Kabarett nichts mehr zu tun, sondern verdient eher den Titel einer politischen Belangsendung, humoristisch untermalt. Meistens aus dem grünen und roten Lager - man kennt sich, man mag sich. Lebende Beispiele sind ein Josef Hader, Florian Scheuba, Thomas Maurer oder etwa Alfred Dorfer.

Im jüngsten ORF "Kabarettgipfel" jedenfalls bringt Viktor Gernot die "frohe Botschaft", dass Wien zum neunten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt worden sei. Das Publikum klatscht brav und Gernot spielt den Erstaunten (weil es offenbar sonst den Leuten immer wurscht wäre, wenn er das erzählt).

Gernot zitiert damit die seit langem bekannte 'Mercer'-Studie, in der Wien tatsächlich auf Platz 1 rangiert. Immer wenn diese Studie zitiert wird, dann ist die Message die gleiche: Wien, oh Wien, du in deiner roten Herrlichkeit erstrahlendes Wien, bist weltweit die lebenswerteste Stadt. Zu 90 Prozent wird diese Studie nämlich von Vertretern der SPÖ zitiert, die restlichen 10 Prozent sind SPÖ-affine Personen.

Und dass das Publikum sonst nie auf diese "frohe Botschaft" reagiert, wie Gernot auf der Bühne meint, könnte damit zu tun haben, dass die 'normalen Menschen' das, was die 'Mercer-Studie' zum Ergebnis hat, in ihrem Alltag gar nicht merken.

Die Mercer-Studie befragt nämlich nur ausländische Manager und Diplomaten, deren Monatseinkommen jenes des 'Normal-Wieners' um das Vielfache übertrifft und welche sich in den meisten Fällen auch nicht dauerhaft in Wien aufhalten.

Die von Mercer befragten Personen schicken ihre Kinder sicher nicht auf eine Wiener Mittelschule, sondern auf teure Privatschulen, mit teurem Zusatzunterricht (Sport, Musik etc.), benutzen mit Sicherheit nicht das allgemein öffentliche Gesundheitswesen und warten nicht etwa vier Stunden in der Ambulanz, sondern verfügen über üppige private Zusatzversicherungen, nutzen vermutlich überdurchschnittlich oft das Angebot gehobener Wiener Gastronomie und wohnen sicher nicht im Gemeindebau. Sicher nicht.

Gegen alles nichts einzuwenden und gut, dass Wien diese Anziehungskraft auf ausländische Eliten hat - aber es hat schon ein sehr hohes Lächerlichkeitspozential, wenn ausgerechnet Linke diese Studie, in welcher der "Klassenfeind" sein Wohlgefallen zum Ausdruck bringt und die kaum etwas mit der breiten Wiener Bevölkerung zu tun hat, als repräsentative Frohbotschaft verkündet.

Und wozu bitte in einem Kabarettprogramm? Cui bono?