Wenn eine Ehe oder Partnerschaft zerbricht, ist die Kränkung beim verlassenen Partner oft groß. Die einstige Liebe kann in Hass umschlagen. Der Ex-Partner wird zum Feindbild, man wünscht ihm alles Schlechte, hofft, dass sein neues Leben ein Desaster wird.
In der großen Politik ist es nicht viel anders. Die EU verhält sich wie eine tief gekränkte verlassene Ehefrau, seit sich die Briten für einen Austritt aus der Union entschieden haben. Zuerst versuchte man diese Entscheidung schön zu reden: Die britischen Bürger seien von populistischen Rattenfängern verführt worden und nur die alten, dämlichen und abgehängten Briten hätten dafür gestimmt. Wir erinnern uns. Irgendwann musste man die Trennung akzeptieren. Der Rosenkrieg begann.
Linke, EU-hörige Medien wie der ORF gehen in der Rolle des gekränkten Ex-Partners auf. Kein Tag, an dem der Rotfunk den Briten nicht ein böses Erwachen und totales Scheitern prophezeien würde. Dabei ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Diese Vorhersagen beruhen auf Emotionen – Kränkung, Wut, Enttäuschung - und weniger auf Daten, Fakten und Sachargumenten.
Die Briten dürfen nach dem Austritt einfach nicht erfolgreich sein. Das würde die Kränkung verstärken und wäre ein fatales Signal an andere EU-Staaten, die mit den Eurokraten in Brüssel so ihre Probleme haben. Deshalb wird auch der ORF nach einem Brexit versuchen - im Einklang mit der Linie Brüssels –, die Lage im Vereinigten Königreich so schlecht als möglich darzustellen.
Schon jetzt wird im ORF mehrmals täglich darüber berichtet, welche furchtbaren Auswirkungen der Brexit auf die Briten und auch auf die österreichische Wirtschaft haben werde. Da dürfen auch mal Österreicher, die in London eine Fish&Chips-Bude oder ähnliches betreiben, tief betroffen in die Kamera schauen und ca. einmal wöchentlich muss ein österreichischer Austauschstudent über die Folgen des Brexits im ORF jammern. Man dürfte mittlerweile alle durchhaben. So viele sind es ja nicht. Der ORF zieht alle Register, um den Zusehern klar zu machen, wer die groß- und einzigartige EU verlässt, begeht einen unverzeihlichen Fehler.
Umso überraschender ist es, wenn man einmal eine vernünftige Stimme hört, die die Folgen des Brexits ohne Kränkung, Groll und Hass analysiert. Noch dazu auf Ö1. Es ist der Wirtschaftsdelegierte der österreichischen Wirtschaftskammer in London, Christian Kesberg: „Das Worst-Case-Szenario eines Chaos-Brexit wird aus wirtschaftlicher Perspektive meiner Ansicht nach dramatisiert und übertrieben. Es gibt keinen ernstzunehmenden Ökonomen, der Großbritannien im Falle eines Hard-Brexits in eine Rezension taumeln sieht. (…) Insgesamt bleibt das Geschäft ja intakt (…) der zweitgrößte Markt Europas verschwindet ja nicht (…) Man muss die Kirche im Dorf lassen. Von einer wirtschaftlichen Katastrophe für österreichische Unternehmen oder die österreichische Volkswirtschaft kann keine Rede sein.“
Ab und zu eine Stimme der Vernunft im aufgeregten ORF-Hühnerstall zu hören, tut gut. Es dürfte sich um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt haben. Die Kränkung der EU und der linken Medien ist verständlich, das Worst-Case-Szenario wäre für sie ein erfolgreiches Großbritannien nach dem Brexit. Dann sind weitere schmerzhafte Trennungen nur noch eine Frage der Zeit und der Traum von einem sozialistischen Europa ohne Nationalstaaten, den Robert Menasse und seine linken Gesinnungsgenossen träumen, vorbei.