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Werner Reichel (oe1 Di, 12.03.2019, 07:00)
Ö1 Morgenjournal

Seit dem Ende des real existierenden Sozialismus und spätestens ab Herbst 2015 genießen Grenzen, Zäune und Mauern einen schlechten Ruf unter Linken. Die Willkommensfreunde forderten damals, als sich Millionen von Menschen aus dem islamischen Raum nach Europa auf den Weg machten, das Ende der „Festung“ Europas, skandierten „No Borders, No Nations“ und Victor Orbán und Donald Trump gelten als der Inbegriff des Bösen. Orbán, weil er die ungarische Schengenaußengrenzen mit einem Zaun gut abgesichert hat und Trump, weil er die Grenzabsperrung zu Mexiko vollenden möchte, mit dessen Bau übrigens Bill Clinton Mitte der 1990er begonnen hat und die kein Präsident danach – auch nicht Friedensnobelpreisträger Obama - wieder abgebaut hat.

Ja, Grenzen und Zäune sind böse. So böse, dass Bundeskanzler Werner Faymann es seinerzeit nicht übers Herz brachte, das Wort überhaupt in den Mund zu nehmen: „Es ist ein Unterschied, ob man eine Grenze baut oder ob man ein Türl baut mit Seitenteilen.“

So furchtbar und menschenverachtend Zäune und Grenzen für Linke auch sein mögen, eigentlich sind sie völlig nutzlos. Mit ihnen könne man die Migrantenströme ohnehin nicht aufhalten, sie würden unsere Probleme nicht lösen, hörte und hört man von Gutmenschen allenthalben. Merkel sagte, sie „glaube nicht, dass Zäune helfen“. Weshalb man die deutschen Grenzen gleich ganz offengehalten hat.

Warum Zäune böse sind, wenn sie gleichzeitig nutzlos sind und ohnehin niemanden abhalten können, erschließt sich einem Nichtlinken nicht sofort. Aber mit Logik stehen die Genossen seit jeher auf Kriegsfuß. Das hat schon mit Karl Marx begonnen. Jedenfalls gehört Grenzen überwinden und sprengen quasi zum täglichen Morgensport eines aufrechten Linken.

Wobei … So ganz und stimmt das nicht, wie man heute im Ö1-Morgenjournal lernen konnte. Wenn nämlich der brave Öko-Linke seinen 7. Wiener Gemeindebezirk verlässt, um mit seinem Wauzi die Natur, für die er sich ja tagtäglich einsetzt, zu inspizieren, dann kann es gar nicht genug Zäune geben. Denn dort draußen in den Bergen lauern bekanntlich die Killerkühe.

Nach dem 500.000-Euro-Gerichtsurteil gegen eine Tiroler Bauern hat die Regierung reagiert und einen Aktionsplan für sichere Almen beschlossen. Dieser Plan sieht allerdings nur einen 10-Punkte-Verhaltenskodex für die Wanderer und Ähnliches vor. Nicht aber die Verpflichtung, dass Bauern ihre Kühe einzäunen müssen. Man appelliert also an die Eigenverantwortung der Wandersleut. Dass die Regierung die Kühe nicht vor den Wandern weggesperrt, ärgert den Ö1-Redakteur hörbar, er spricht davon, dass man „den Großteil der Verantwortung den Wanderern und Touristen umhängen will“. Wo ist der Kickl, wenn man ihn wirklich braucht, denkt sich wohl der brave Ö1-Mann.

Er interviewt zu diesem Thema Frau Nocker-Schwarzenbacher, sie ist Tourismus-Obfrau in der Wirtschaftskammer. Wie sich ein Wanderer mit Hund vor „aggressiven Kühen“ schützen solle, will er wissen. Die Touristen und Wanderer würden sich im Naturraum aufhalten und müssten sich eben danach richten, sagt die Frau von der Wirtschaftskammer. Und man müsse eben Abstand halten. „Abstand halten hilft aber nicht immer“, wirft der Ö1-Mann ein. Vielleicht hat er dabei an die Ratschläge einer gewissen deutschen Oberbürgermeisterin gedacht. Wer weiß.

„Wenn die Kühe mit 30 km/h auf die Wanderer lostrampeln“, fügt er drohend hinzu, wissend, dass Radio „Kino im Kopf“ ist. Weil die Dame nicht die erwünschten Antworten gibt, bohrt der Moderator mehrfach nach: „Kann man dieses Risiko wirklich in Kauf nehmen?“ Wenn man sich in der freien Natur aufhält, gäbe es immer ein gewisses Risiko, kontert Frau Nocker-Schwarzenbacher. Es müsse miteinander gehen, mahnt sie.

Doch es könnte auch Bauern geben, wirft der Ö1-Moderator ein, die sagen (jetzt wechselt er in einen angedeuteten Dialekt, so wie er glaubt, dass Tiroler Landwirte sprechen): „Na jo, wird scho nix passieren!“

„Überall soll Freiheit sein und keine Einschränkungen und auf den Almen will man dann wieder Zäune errichten. Man muss auch die Kirche im Dorf lassen“, so die resolute Frau Nocker-Schwarzenbacher. „Wenn Lebensgefahr besteht, ist es mit der Kirche im Dorf lassen vielleicht nicht getan“, fällt ihr der Ö1-Redakteur ins Wort „Es ist ein Einzelfall, ein tragischer Einzelfall“, hält Frau Nocker-Schwarzenbacher dagegen.

Und ich denke mir die ganze Zeit, habe ich ein Déjà-vu? Eine solche Diskussion habe ich doch schon einmal gehört. Nur irgendwie anders.