ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Andreas Lindner (Ö1 Mi, 17.04.2019, 12:00)
Mittagsjournal

Leider muß man es in aller Deutlichkeit sagen: Die ORF-Information produziert lupenreine Fake-News. Das Ö1-Mittagsjournal macht etwa heute gleich zu Beginn mit dem 'epochalen Ereignis', der Vorstellung des neuen Buches von Reinhold Mitterlehner, auf.

Praktisch in jedem Satz und Nebensatz wird im Ö1-Beitrag behauptet und suggeriert, der seinerzeitige ÖVP-Chef und Vizekanzler habe einzig auf Grund von innerparteilichen Intrigen und dem egomanischen Machtstreben eines Sebastian Kurz entnervt das Handtuch geworfen und sei nur deswegen zurückgetreten.

Dem aufmerksamen Langzeitbeobachter der österreichischen Innenpolitik, mit etwas mehr Gedächtnisfähigkeit und deutlich weniger sozialistischer Prägung, stellen sich bei dieser offenkundig falschen und stark rot geprägten Geschichtsfälschung die Nackenhaare auf.

Die ÖVP als Koaltionspartner im Gesamten und Mitterlehner als Vizekanzler im Konkreten,waren vom Koalitions'partner' SPÖ, vor allem aber von deren Haupt, der Gewerkschaft - welche sich mit Werner Faymann ab 2008 einen eigenen Kanzler gehalten hat - jahrelang buchstäblich am Nasenring durch die innenpolitische Arena gezogen worden. Die Beispiele aufzuzählen, würden den Rahmen hier bei weitem sprengen. Einige Stichworte: Gesamtschule ('neue Mittelschule'), Mindestsicherung, geplante Abschaffung Wehrpflicht (ausgelöst durch einen wahlkämpfenden Michael Häupl), Blockade bei besseren Präventivmaßnahmen gegen Terror, bei flexibleren Arbeitszeiten, bei Pensionsreform, bei Entlastung von Unternehmen etc. etc. etc. etc.

Praktisch jede wichtige politische Entscheidung wurde blockiert oder an die Nebenregierung, die sogenannten Sozialpartner, ausgelagert. Und dort sind dann die roten Gewerkschafter mit der ÖVP-Gegenseite Schlitten gefahren.

Zum Höhepunkt der Asylkrise 2015 ist Kanzler Faymann dann wochenlang abgetaucht, wie erst kürzlich eine große Tageszeitung enthüllt hat. Und auch in Folge hat sich die SPÖ beharrlich geweigert, auch nur ein Minimum an Sicherheitsmaßnahmen an der österreichischen Staatsgrenze zu treffen. Man erinnert sich an Kanzler Faymann, wie er nicht einmal in der Lage war, das Wort "Zaun" auch nur auszusprechen, in totaler Ehrfurcht vor dem ORF und sämtlichen linken Medien, die wochenlang kampagnenartig einen Grenzzaun als das denkbar Allerschlimmste in unserer "offenen Gesellschaft" dargestellt haben. Für einen Werner Faymann war das einzig Wichtige in seiner Amtszeit stets nur seine Außenwirkung.

Als Beleg dafür, dass Mitterlehner nur auf Grund von Intrigen rund um Sebastian Kurz zurückgetreten ist, wird der O-Ton aus seiner damaligen Rücktrittsrede eingespielt, in welcher er explizit einen gewissen "Plan-A" erwähnt. Plan-A? Ein Plan-A von Sebastian Kurz? Nein, der sogenannte "Plan-A" war ein PR-Gang des neuen SPÖ Kanzlers Christian Kern, geschrieben hautpsächlich von einem gewissen Rudi Fußi, welcher später wegen Nötigung im Zuge der SPÖ-Silberstein-Affäre vor Gericht gestanden ist (und freigesprochen wurde). Der Plan-A von Christian Kern war nicht nur nicht mit dem Koaltionspartner ÖVP/Mitterlehner abgesprochen, der neue SPÖ-Kanzler hat ihn auch nur wenige Monate, nachdem sich die SPÖ-ÖVP Regierung in einer Klausur mühsamst auf das Regierungsprogramm bis zur nächsten regulären Wahl geeinigt hatte, in einer Art Show vorgestellt.

Freilich, die Regierungsklausur zuvor war von SPÖ-Seite noch mit Werner Faymann besetzt, welcher dann von Christian Kern und seinen Anhängern ziemlich unhöflich aus dem Amt entfernt wurde. Das hat der ORF in seinem Bericht glatt 'vergessen' zu erwähnen. (Ebenso wie übrigens die Tatsache, dass Werner Faymann wiederum seinen Vorgänger, SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, ziemlich unhöflich aus dem Kanzleramt gedrängt hat.) Dieser historische Sachverhalt ist offenkundig, stört aber das Storytelling im ORF. Christian Kern als Widersacher und SPÖ-Chef kommt im Ö1-Mitterlehner-Beitrag nicht vor.

Zurück zu den historisch offenkundigen Fakten: Die Politik des frisch gekürten und machtambitionierten Kanzlers Christian Kern war am Beginn seiner Amtszeit auf massive Provokation und Blockade des Koalitionspartners ausgelegt, mit dem Ziel, mittels Neuwahlen aus der ungeliebten Koalition ausbrechen zu können. Auch das ist mittlerweile bekannt und auch die Tatsache, dass der SPÖ dieser Masterplan durch die mehrfach verunglückte Bundespräsidentenwahl vereitelt wurde. Man traute sich deshalb nicht, das Volk schon wieder zu Wahlen zu rufen, geblieben ist die SPÖ-Politik der Blockade von Mitterlehner und seiner ÖVP.

Dass in der ÖVP der Unmut darüber gewachsen ist, sich von der SPÖ (und den roten Gewerkschaftern und befreundeten Medien) an der Nase herumführen zu lassen und hier viele in Sebastian Kurz (der im Übrigen fast täglich von Journalisten gefragt wurde, wann er denn nun endlich Reinhold Mitterlehner ablösen werde) ihre neue Leitfigur gesehen haben, ist sicher zutreffend. Aber wer hier Ursache und Wirkung ganz bewusst vertauscht, verbreitet gezielt eine Falschdarstellung.

Im Herbst 2016, nach monatelangem Würgen, praktisch keinerlei Fortschritten in der Regierungsarbeit, äußerte Reinhold Mitterlehner: "Entweder bringen wir das Ding ins Laufen oder eben nicht. Dann reden wir über Konsequenzen.“ Er sagte dies nicht in Richtung seiner eigene Partei oder des Außenministers Sebastian Kurz, sondern explizit in Richtung SPÖ und deren Kanzler Christian Kern.

Anstatt konstruktiver Regierungsarbeit zwischen ÖVP und SPÖ folgte dann aber noch der unabgestimmte "Plan-A", der von Kern wie eine Wahlkampfveranstaltung mitten in der Regierungsperiode aufgezogen wurde. Mitterlehner zog daraus die Konsequenzen und trat, acht Monate nach deren Ankündigung, zurück.

Natürlich ist Reinhold Mitterlehner enttäuscht und auch 'angefressen', wie alles abgelaufen ist, das konnte man schon lesen und vernehmen und auch auf seinen Nachfolger ist er nicht besonders gut zu sprechen.

Aber so wie der ORF heute darüber berichtet, ist in etwa so, wie das Weiße Haus bzw. der US-Justizminister unter Donald Trump, über den Mueller-Report und den Russland-Vertstrickungen von Trump berichtet haben: Er nimmt sich ein einziges Detail heraus und macht daraus die Gesamtzusammenfassung des ganzen Komplexes, womit er das Ganze in eine andere, in die gewünschte Richtung dreht.

ORF, wie wirr. Oder: Die vollkommen unabhängige und objektive Berichterstattung im ORF, für die ein Armin Wolf kämpft.