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Andreas Lindner (ö1 Mo, 06.05.2019, 08:00)
Journal um 8

Zugegeben, der ORF hat mit der beschlossenen und vorgestellten Steuerreform der Regierung ein massives Problem: Zwar werden Millionen Bürger (darunter explizit auch Niedrigverdiener) und hunderttausende arbeitgebende, steuerzahlende Unternehmen mit der Reform teils erheblich entlastet, gleichzeitig passt das aber natürlich überhaupt nicht in das ORF-Dauermärchen von der 'sozial kalten' Regierung, die Österreich nur als Marionette der Wirtschaft regiert.

Und so scheint wohl der Griff in die Fake-News Kiste die - aus ORF-Sicht - einzige Möglichkeit zu sein, die aktuelle Steuerreform doch noch in ein schiefes Licht zu rücken und anzupatzen.

Das Ö1-Journal um 8 eröffnet heute etwa allen Ernstes in folgendem Wortlaut: "Stichwort Steuerreform: Wie geht das, mit der - von der Regierung vesprochenen - Beteiligung der Mitarbeiter am Gewinn ihres Unternehmens?"

Da fragt man sich als aufmerksamer Beobachter des politischen Alltags: Wer hat wann den Menschen eine Beteiligung am Gewinn ihres Unternehmens versprochen? Der Kanzler, der Vize, der Finanzminister oder vielleicht sein Staatssekretär?

Die Antwort lautet: Natürlich keiner von ihnen und auch sonst niemand von der Regierung, schon gar nicht unter dem Stichwort 'Steuerreform'. So weit, liebe Ö1-Redaktion, sind wir nämlich (noch?) nicht in einer sozialistischen Traumwelt, wo die Regierung privaten Unternehmen eine verpflichtende Gewinnbeteiligung vorschreiben würde.

Aber nach der haarsträubenden Fake-News Eröffnung am Beginn des Ö1-Journals kommt es noch "besser", nämlich im dazugehörigen Beitrag selbst. Dort heißt es wörtlich "...etwa zum Plan (sic!), Mitarbeiter am Gewinn Gewinn Ihres Unternehmens zu beteiligen..." und weiter mit der rhetorischen Frage "gibt es automatisch einen Bonus, wenn die Firma Gewinn macht?"

Es folgt der Beitrag selbst, gestaltet von Maria Kern und Esther Mitterstieler, mit der nächsten manipulativen Wiederholung: "Bis zu 3.000 Euro soll (sic!) es pro Person im Jahr maximal geben." Und damit die ganze Manipulation dann für den Ö1-Hörer noch möglichst authentisch wirkt, wird auch noch der Kanzler aus der Steuerreform-Pressekonferenz von letzter Woche eingespielt, freilich verkürzt und damit sinnentstellt, schließlich soll die Kanzler-Aussage ja zum gewünschten Spin des Beitrages passen. Kanzler-Kurz: "..das bedeutet für jemanden mit einem durchschnittlichen Einkommen in unserem Land ein 15. Gehalt mehr."

Anschließend wird noch ein 'Experte' von der Arbeiterkammer Wien (selbstverständlich!) dazu befragt. Der ganze Beitrag geht dann in der gleichen manipulativen Tonart weiter.

Dabei hätte es für den Moderator Rainer Hazivar vollkommen genügt, einfach die eigene Ö1-Journal Einleitung vom Zettel/Bildschirm abzulesen, in dieser wird der Beitrag nämlich wie folgt angekündigt: "Alle Firmen sollen ihre Mitarbeiter am Gewinn beteiligen können - steuerfrei. Diesen Plan will die Regierung im Zuge der Steuerreform realisieren."

Man lese also den Unterschied und staune über die Verbreitung einer derartigen Falschmeldung. Bloß, welches Ziel könnte dahinterstehen zu erzählen, die Regierung habe den Menschen eine 'Gewinnbeteiligung versprochen' und  'plane eine Gewinnbeteiligung' der Mitarbeiter?

Als erprobter Konsument der ORF-Information ("Absolut Objektiv!" Florian Klenk) ahnt man es schon und erinnert sich an ähnliche Beispiele. Das Prinzip scheint relativ einfach: In verschiedenen ORF-Nachrichtensendungen wird einem unliebsamen Politiker oder der ganzen Regierung wiederholt etwas unterstellt, worüber dann mehrere Tage lang, konsequent berichtet wird. Im 'Idealfall' spingen dann 'ORF-freundliche' Tageszeitungen wie zB. Kurier oder Standard auf den Zug auf, der ganze Fake wird zum Selbstläufer, bis der oder die betroffenen Politiker es öffentlich klarstellen müssen.

Am Ende erhält der ORF dann die gewünschte Schlagzeile, die er praktischerweise gleich selbst produziert (oder von der Tochter, der APA, übernimmt): "Kanzler Kurz rudert bei Gewinnbeteiligung für alle Mitarbeiter zurück." Bingo! Und schon hat die Steuerreform von ÖVP/FPÖ einen kleinen Dreckpatzen bekommen.

ORF - sagenhaft unabhängig!

PS: Apropos Steuerreform, auch schön anzusehen war 'Im Zentrum' auf ORF 2, wie der linke Gewerkschafter, der 'Steuerrechtsexperte' von der Arbeiterkammer und die natürlich vollkommen unparteiische Moderatorin ihre plötzliche Liebe zur Abschaffung der 'Kalten Progression' entdeckt haben, nachdem das unter einem SPÖ-Kanzler nie eine Forderung der Linken gewesen ist.