Geschichtsaufarbeitung a la ORF: "Wenige Tage bevor die FPÖ ihren finalen eigenen Historikerbericht vorlegt, präsentiert die heimische Zeitgeschichteforschung neue Recherchen zum Übergang vom Verband der Unabhängigen (VdU) zur FPÖ“, heißt es im ORF-Artikel.
In Folge wird das neue Buch „Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ“ der Historikerin Maria Reiter präsentiert. Moment... Hat der ORF nicht zuvor von "die österreichische Zeitgeschichtsforschung" gesprochen? Heißt das, dassFrau Reiter, also die Meinung und Forschung einer einzelnen Person, "die österreichische Zeitgeschichtsforschung" repräsentiert? Für den ORF offenbar schon. Könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass die FPÖ im Buch nicht gut wegkommt.
Natürlich ist es historisch erwiesen (und auch in dem Buch beschrieben), dass sich in der FPÖ nach dem zweitenWeltkrieg – wie in allen anderen Parteien – viele ehemalige Nationalsozialisten befanden. Das war unmittelbar nach 1945 schlicht und ergreifend einem politischen Personalmangel geschuldet. Weniger wissenschaftlich wird dann von Anton Pelinka, der bei der Buchpräsentation dabei war (und für den ORF offenbar auch „DIE österreichische Geschichtsforschung repräsentiert) der Bogen zur heutigen FPÖ gespannt.
Zitat ORF: „Für Pelinka könne die FPÖ für sich nicht in Anspruch nehmen, wie es zuletzt von FPÖ-Chef Norbert Hofer vertreten wurde, eine „normale Partei“ zu sein“. Interessant. Eine demokratisch und gesetzlich legitimierte Partei kann also nicht „normal“ sein, speziell wenn sei nicht dem Herrn Pelinka sehr nahe stehenden linken Parteien-Spektrum angehört.
Frau Reiter steht es natürlich frei, sich in ihrem Buch nur auf eine österreichische Partei zu konzentrieren. Ob das dann tatsächlich – wie vom ORF dargestellt – die gesamte österreichische Geschichtsforschung repräsentiert – sei einmal dahingestellt. Aber von einem öffentlich-rechtlichen Sender sollte man eigentlich erwarten können, dass er im Sinne der Objektivität zumindest mit einer Randnotiz darauf hinweist, dass unmittelbar nach 1945 ALLE österreichischen Parteien Auffangbecken für ehemalige Nationalsozialisten waren. Ganz vorne dabei: die SPÖ. Selbst die KPÖ hat nach 1945 gezielt ehemalige Nationalsozialisten angeworben.
Mit dem vorliegenden Artikel wird der Eindruck erweckt, dass ausschließlich die FPÖ nach1945 als Auffangbecken für ehemalige Nazis gedient hat. Das ist aber schlichtweg falsch bzw. unvollständig. Lückenpresse at it´s best!
Nachlesen kann man das u.a. in einem Profil-Artikel, der sich schon 2005 mit dieser Thematik beschäftigt hat. Herr Pelinka hätte da vielleicht einmal reinlesen sollen…