ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Werner Reichel (Ö1 Do, 02.01.2020, 07:00)
Morgenjournal

2020 hat im ORF eine neue Ära begonnen. Das ist nicht zu übersehen und im Fall von Ö1 nicht zu überhören. Das Morgenjournal berichtet über Kurz und Kogler, wie die „Bunte“ über die britischen Royals. Die vom ORF verströmte Grundstimmung ist positiv-euphorisch-beschwingt. Im ersten Journal-Beitrag betätigt sich Klaus Webhofer als grüner Regierungssprecher. Er erklärt seinen Hörern, was Kurz und vor allem Kogler meinen und wollen, hebt hervor, was ihnen wichtig ist und würdigt die Leistung des neuen Regierungs-Duos, wenn er etwa bewundernd in Richtung Kogler sagt: „Ein Spaziergang war die Türkis-Grüne-Angelegenheit freilich nicht.“ Herr Kogler ergänzt in diesem Ö1-Beitrag. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht.“ Es ist nicht zu überhören: Love is in the Air.

Kein Hauch einer Kritik. Dass etwa die umstrittene Sicherungshaft unter Vizekanzler Kogler eingeführt werden soll, ein Vorhaben, das noch vor wenigen Monaten Kogler, die Grünen und den ORF zur Weißglut getrieben hat, als es von Herbert Kickl angedacht wurde, ist für den Gebührenfunk plötzlich kein Thema mehr. Man kritisiert die Grünen nicht, dass sie umgefallen sind, dass der Rechtsstaat bedroht sei, wie man das Kickl vorgeworfen hatte. Nein, man bewundert sie, dass sie für uns Österreicher bereit sind, solche Bürden auf sich zu nehmen. Unsere grünen Märtyrer opfern sich für das Wohl des Landes und die Zukunft des Planeten. Das ist das ORF-Narrativ. Nein, die Grünen sind keine macht- und postengeile Umfallerpartie, was sie tun, tun sie einzig und alleine für unsere Zukunft.

Studiogast im Morgenjournal ist Sigrid Maurer, sie sagt zwar nichts, muss sich aufgrund der ebenfalls einst so gehassten und verdammten Message-Control auf Slogans, Phrasen und Belanglosigkeiten beschränken, dem ORF reicht das völlig. Da wird nicht nachgebohrt, nicht nachgehakt. Man nimmt sich das Motto von Grün-Präsident Van der Bellen zu Herzen und baut Brücken. Brücken zwischen ORF und Grünen. Danach darf im Morgen-Journal eine linke Politologin ran. Auch sie voll des Lobes dafür, dass sich die Grünen zu unser aller Wohl aufopfern und die türkise Krot schlucken. Die Rollen sind in dieser medialen Schmierenkomödie klar verteilt, was ORF und die anderen Linken, ob Experten oder nicht, vorhaben, ist durchschaubar wie eine frisch geputzte Fensterscheibe.

Die grünen Pläne und gesellschaftspolitischen Vorhaben werden vom ORF zu 100 Prozent mitgetragen und unterstützt, was die ÖVP zur Beruhigung ihrer konservativen Wählerschicht umsetzen möchte, und sei es auch nur als Alibi, wird zunehmend kritisiert werden. Kogler ist der good guy, Sebastian Kurz ein notwendiges Übel, das man solange ertragen muss, so lange sich keine linke Mehrheit in Österreich abzeichnet. Und die ist derzeit weit und breit nicht in Sicht. Das bedeutet, man wird Kurz und die ÖVP zwar permanent unter Druck setzen, sie vor sich hertreiben und nach links abdrängen - was bei Kurz nicht allzu schwerfallen dürfte -, aber nicht versuchen, die Koalition zu sprengen, wie man es bei Türkis-Blau von Anfang an geplant hat.

Man braucht kein Mitleid mit Herrn Kurz zu haben, wirklich nicht. Er hat unser Land in diese Situation gebracht, hat sich entgegen dem Wählerwillen mit dem linkslinken Lager verbündet. Die türkisgrünen Flitterwochen werden schneller vorbei sein, als der ÖVP lieb sein kann, zumal der ORF sein Drehbuch längst fertig geschrieben hat.