ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Niklas G. Salm (Ö1 Sa, 28.03.2020, 12:05)
Ö1-Mittagsjournal

Wir leben wahrlich in außergewöhnlichen Zeiten. Die sind so außergewöhnlich, dass sogar die heutige, fast unfassbare Begebenheit passieren kann: "Im Journal zu Gast" im Rahmen des Ö1-Mittagsjournals war der Wiener Sozial- und Gesundheitslandesrat Peter Hacker, normalerweise eher ein Linksaußenvertreter seiner Partei SPÖ. Doch was Hacker in diesem Interview alles sagte, ließ aufhorchen und einem fast den Mund offenstehen. 

Wenn ein Ö1-Komsomolze in normalen Zeiten einen Genossen interviewt, dann ist das für einen nicht-linken Zuhörer meist eine Tortur. Linken Antworten wird maximal mit Nachfragen nach noch linkeren Inhalten begegnet, ansonsten geht es meist amikal lustig, ja fast schon verliebt zu. Heute überraschte Hacker aber die Zuhörer und definitiv auch den Ö1-Interviewer mit einigen Antworten, die man von einem eher sehr links orientierten Roten nicht erwarten würde. 

So meinte Hacker, man dürfe trotz Corona die Schließungen fast aller Geschäfte und den Shutdown fast der gesamten Wirtschaft nicht mehr lange aufrechterhalten, da es sonst nicht mehr viel geben dürfte, was man nachher wieder hochfahren könnte. Er verwies dabei sogar auf Ökonomen und Wirtschaftsforscher, die ein baldiges Ende des Shutdowns gefordert hatten. Gerade Klein- und Einpersonen-Unternehmen könnten nicht mehr lange durchhalten, was sicher stimmt. Vor allem, da man immer öfter hört, dass die viel gepriesenen Staatshilfen gerade für die Kleinen höchst kompliziert zu beantragen sein sollen und vor allem so restriktive Grundvoraussetzungen hätten, dass viele leer ausgehen würden. 

Diese wirtschaftsfreundliche Ansicht irritierte den interviewenden Ö1-Genossen Edgar Weinzettl spürbar, so dass der nachfragte, ob Hacker damit sagen wolle, dass man einige zusätzliche Tote in Kauf nehmen solle, nur damit die Wirtschaft weniger unter die Räder komme. Dem entgegnete Hacker, dass so eine Fragestellung Humbug sei, da ja auch alljährlich Menschen an der Grippe oder anderen Infektionskrankheiten versterben würden und man dann ja laut dieser Denke alljährlich gleich mehrmals die gesamte Wirtschaft zusperren müsste. Was aber auch nicht passiert.

So viel Pragmatismus und so wenig Ideologie hätte man dem Genossen Hacker gar nicht zugetraut, der einfach realistisch und nicht wie sonst bei Linken üblich möglichst dogmatisch an eine Problemstellung heranzugehen versucht. Gegenüber den bereits von dauerhaft diktatorischen Zuständen träumenden GrünInnen, die wie Vizekanzler Kogler ob der neu gewonnen Macht am liebsten ihre Untertanen gleich ganz im Haus einsperren würden, wirkte Hacker fast wie ein Liberaler oder Libertärer. Das schockte bestimmt auch die Ö1-Redaktion. 

Interviewer Weinzettl wies dann auf Chinas (angeblich) erfolgreiche Strategie rigider Ausgangsverbote hin, die ja auch immer wieder von GrünInnen als vorbildlich gepriesen werden. Was Hacker recht amüsant mit ungefähr diesen Worten konterte: "Ja sicher, China, das ist ja bekanntlich seit Jahrhunderten ein liberales Land und quasi der Inbegriff der Freiheit. Mit denen sollten wir uns unbedingt vergleichen."

Weinzettl war baff, ist doch für Grüne nah und fern China immer wieder ein großes Vorbild für einen schnell entscheidenden, effektiven und straffen Staat. Zwar abseits der Wirtschaft eine kommunistische Diktatur, aber das stört die Anschobers, Koglers und Habecks ja bekanntlich weniger. 

Jedenfalls hatte Hacker den rhetorischen Sieg nach Punkten abgeräumt und kam dabei gar nicht wie gewohnt als strammer Sozi-Apparatschik rüber. Der Ö1-Fragensteller war immer wieder überrascht - der Zuhörer definitiv auch. Wie gesagt, wir leben in außergewöhnlichen Zeiten, wenn sogar auf Ö1 ein seltener und vor allem in dieser Form unerwarteter Lichtblick zu vernehmen ist...