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Werner Grotte (Radio Wien Sa, 28.03.2020, 18:55)
Das Traummännlein kommt

Die laufenden Anti-Corona-Maßnahmen treiben auch medial seltsame Blüten. Nicht nur, dass sich in letzter Zeit täglich das Abendprogramm aufgrund irgendwelcher Sondersendungen ständig nach hinten verschiebt, obwohl eh nur verkündet wird, dass man noch nichts Genaues weiß, werden auch manch neue, oder ganz alte Sendungsformate aufpoliert, um das Publikum bei Laune zu halten.

So wurde etwa auf Radio Wien das mäßig originelle Vormittags-Kinder-Düdeldü „WOW“ in Form von „Extra WOW“ auch noch ins Nachmittagsprogramm des Senders übernommen. Und das leider in einer Zeit, in der viele Erwachsene viel öfter als sonst daheim sind und sich nun, sofern sie Radio hören, stundenlang halblustige Schmäh von der Ratte Rolf-Rüdiger und den ebenso halblustigen anderen Sendungsbeteiligten anhören müssen.

Da kann der rosarote Panther, von dem man die Schluss-Melodie gefladert hat (die aber längst kein Kind mehr kennt), nur müde lächeln. Denn Paulchens Schmäh in den 1970er-Jahren waren um Lichtjahre besser. Ob man mit solchem Schwachsinn das Corona-Virus vertreiben will? Viele Hörer vertreibt man so ganz sicher in Richtung privater Konkurrenz wie 88,6, Arabella oder Superfly.

Es gibt aber auch einen Lichtblick: Seit Samstag spielt Radio Wien um 18.55 Uhr wieder die für viele noch sehr vertraute Sendung „Das Traummännlein kommt“ mit der Ohrwurm-Titelmelodie von Johannes Brahms. Zwischen 1955 und 1995 war diese Sendung mit ihren unaufgeregt und in schönem Deutsch vorgetragenen Gutenachtgeschichten für zahllose Eltern ein probates Mittel, ihre Kinder zum Schlafengehen und, hoffentlich, zu einer weiteren, von einem Elternteil vorgelesenen Einschlafgeschichte zu ermutigen.

Wenn es so weitergeht, wird der ORF möglicherweise noch den legendären Heinz Conrads wiederbeleben, damit der mit "Serwas die Buam, griaß Eich die Madeln" den von der Regierung vorgeschriebenen Positiv-Denken-Kurs bestärkt. Propaganda ist in Zeiten wie diesen alles ...